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Hotzenwaldblues

Hotzenwaldblues

Titel: Hotzenwaldblues Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Gabriel
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das geplante Pumpspeicherwerk Atdorf friedlich. Noch. Das
bislang eher kleine Fähnlein der Aufrechten gegen die Baupläne des
Schluchseewerks konnte sich schnell in eine tobende und nicht mehr zu
kontrollierende Menschenmasse verwandeln. Was, wenn die Widerständler
beschlossen, ein Protest-Camp auf dem Abhau einzurichten, um zu verhindern,
dass der Berg wie ein Ei geköpft und ausgehöhlt wurde, damit das obere Staubecken
gebaut werden konnte? Immerhin hatte die Bürgerinitiative Atdorf vierhundert
Mitglieder. Allerdings waren die meisten bisher passiv geblieben. Dennoch. Aus
kleinen Gruppen konnte schnell ein Aufruhr werden.
    Iris erinnerte sich gut an Mathias Bleichs Gesichtsausdruck, als er
ihr den Drohbrief unter die Nase gehalten hatte. Er wusste seine Chancen zu
nutzen. Das Auftauchen dieses anonymen Briefes passte ideal zu seinen
Bemühungen, sie loszuwerden. Dummerweise hatte sie ihn im Eifer ihres letzten Gefechtes
laut einen selbstgerechten CDU -Sack genannt. Und
ihn als Korinthenkacker tituliert. Aber das war doch kein Grund, gleich so
auszurasten. Es war ihr einfach herausgerutscht. Dieser Mann machte sie
aggressiv. Und um acht Uhr morgens hatte sie nicht den Nerv, sich mit Idioten
gut zu stellen, sondern genügend damit zu tun, erst einmal richtig wach zu
werden.
    Bleich war erst rot und dann bleich geworden, bis hinauf zum
Haaransatz, der kaum noch zu erkennen war, weil er sich wie viele eitle Männer
in der Midlife-Crisis seinen Schädel rasiert hatte, um die beginnende Glatze zu
kaschieren. Sein Wanst, den er immer einzog, um die Welt glauben zu machen, er
habe einen Waschbrettbauch, hatte gezittert. Im Takt mit den Hängebäckchen
seines Gesichtes.
    Und dann war das Gewitter losgebrochen. Er hatte sie brüllend vor
die Wahl gestellt: Entweder sie arbeitete künftig freiwillig als V-Frau, ließ
sich also mit den Atdorf-Gegnern ein und spionierte sie aus, meldete brav alle
links-, rechts- oder sonst wie radikalen Aktivitäten und Aktivisten, und vor
allem: fand diesen durchgeknallten Fanatiker, ehe er tatsächlich noch jemanden
umbrachte – oder sie flog hochkantig raus. Beamtin hin oder her. Wegen
Beleidigung eines Vorgesetzten. Und Eigenmächtigkeiten im Dienst. Weil sie
entgegen allen Anordnungen und unter Missachtung aller Vorschriften in den
Kosovo gefahren war, um gegen diese Leichenschänder zu ermitteln. Auch wenn das
jetzt schon mehr als zwei Jahre her war, er werde ihr, anders als der große M.,
das längst fällige Dienstaufsichtsverfahren wegen chronischer Unzuverlässigkeit
und Verstoßes gegen Dienstanweisungen an den Hals hängen. Er würde sie in eine
Lage bringen, die sich gewaschen hatte. Egal, womit. Er würde schon etwas
finden, um ihr das Leben so schwer wie möglich zu machen.
    Daraufhin war sie explodiert. Sie konnte sich nicht mehr an alle
Schimpfwörter erinnern. Sie hatte ihm jedenfalls die Krätze an den Hals
gewünscht. Was die Angelegenheit nicht gerade besser machte. Er hatte erklärt,
sie sei ja völlig durchgeknallt, er werde sie psychiatrisch untersuchen und für
verrückt erklären lassen. Und man werde sie in Frührente schicken. Es sei denn …
    Mit vierzig. IN RENTE!
    An die Polizeigewerkschaft konnte sie sich nicht wenden. Bleich war
der Kreisvorsitzende.
    Gleich darauf hatte Bleich auch noch von ihr verlangt, eine
glaubwürdige Legende aus dem Hut zu zaubern. Da war sie auf die Idee verfallen,
als Aushilfe bei Linda anzufangen. Sie wusste, dass die Buchhändlerin immer
wieder Leute suchte. Linda hatte bereits am Nachmittag desselben Tages zugesagt
und Iris gefragt, ob sie nicht gleich anfangen könne. Natürlich konnte sie.
    In den vergangenen Tagen hatte sie es nicht geschafft, Hinweise
darauf zu finden, wer der Wächter war oder wo
sie ihn suchen mussten. Iris wusste, das wäre zu viel verlangt gewesen, ein
Wunder geradezu. Doch nun war die erste Bombe hochgegangen, und sie mochte es
nicht, wenn sie versagte. Auch wenn es eigentlich kein Versagen war, für sie
fühlte es sich so an.
    Verdeckte Ermittlerin, undercover ,
wie es auf Neudeutsch so schön hieß. So was machte sich nur in Filmen gut. Ohne
die Kollegen im Rücken fühlte Iris sich irgendwie … ausgeliefert.
    Iris war an der Turnhalle angelangt und hielt inne, weil sie trotz
der inneren Anspannung unwillkürlich grinsen musste. Sie hätte den derzeitigen
Leiter der Lörracher Mordkommission vielleicht wirklich nicht einen alten CDU -Sack nennen sollen. Sondern, eher neutral, schlicht
und einfach

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