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Hotzenwaldblues

Hotzenwaldblues

Titel: Hotzenwaldblues Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Gabriel
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sieben Schalen mit dem Zorn Gottes
über die Erde«, hatte der Typ geschrieben. Nicht handschriftlich,
sondern via Computerausdruck. Es klang nach einem alttestamentarischen Zitat.
Das war es irgendwie auch, obwohl es so nicht im Alten Testament stand. Denn
der Satz stammte aus dem sechzehnten Kapitel der Apokalypse des Johannes. Das
hatte sie gegoogelt.
    Die Worte, die folgten, waren die des Absenders: »Und so
werde ich alle zerstören, die diese Erde zerstören. Verschandeln den, der die
Natur verschandelt, tödliche Wunden schlagen jenen, die der Erde Wunden
zufügen, um eine Trasse für die A98 durch die Natur zu ziehen, und Berge
abtragen, um Pumpspeicherwerke zu bauen. Wehe Euch, Ihr Mörder der Natur. Auge
um Auge, Zahn um Zahn. Erst drei, dann fünf, dann sieben, dann weitere. Bis das
aufhört. Der Wächter. In memoriam Bruno Manser.« Dann folgte : »Sucht dort: Energieunternehmen, Regierungspräsidium,
Autobahn.«
    Anfangs hatte sie spontan lachen müssen. Sonst noch was? Das klang
einfach zu übertrieben und selbstgerecht, einen solchen Fundi-Spinner konnte
doch kein Mensch ernst nehmen. Auch wenn Iris das Gefühl durchaus teilte, dass
der Erde immer wieder Wunden zugefügt wurden und sie manchmal am liebsten dazwischengeschlagen
hätte. Doch dass jemand deshalb Menschen umbrachte … In ihren Augen war
der Brief nichts als ein Warnschuss gewesen. Ein schlechter Scherz. Insgeheim
hatte sie den selbst ernannten Wächter für ziemlich
irre und harmlos gehalten. Bis vorhin, bis zum Anruf des Glücklichen.
    Bruno Manser war ein Regenwaldschützer aus Basel, der als vermisst
galt und ihres Wissens längst für tot erklärt worden war. Aber was bitte hatten
die A98 oder das geplante Pumpspeicherwerk mit dem Regenwald zu tun? Kam die
Botschaft am Ende gar aus der Schweiz?
    Quatsch. Die A98 und das Projekt Atdorf lagen auf der deutschen
Rheinseite. Die Schweizer hatten ihre eigenen Aktivisten, auch unter den
Atomkraftgegnern. Selbst die konservativen Eidgenossen gingen seit Neuestem zu
Tausenden auf die Barrikaden. Die Anti- AKW -Bewegung
und die Bürgerinitiativen für Umweltschutz gewannen in Heidis Heimat, dem
Mutterland des Käses, der Uhren und des Bankgeheimnisses immer mehr Mitstreiter.
Die Schweizer planten mittlerweile ebenfalls den Ausstieg aus der Kernenergie.
Es sollte einen Volksentscheid geben.
    Sie hatten einen »Profiler« zurate gezogen, ihm das Schreiben gezeigt.
Der Mann hatte gestern noch erklärt, der Absender könnte einer dieser linken
grünen Fanatiker sein, die heutzutage wie die Pilze aus dem Boden schossen.
Gestern. Da hatte diesbezüglich noch der Konjunktiv geherrscht.
    Und jetzt, nach der Bombe? Jetzt lagen die Nerven wahrscheinlich
nicht nur bei den Mitgliedern der Soko Wächter blank. Der Verfasser des
Schreibens hatte eindeutig mit Mord gedroht. Womöglich war am Ende ein Anschlag
auf das Atomkraftwerk Leibstadt direkt jenseits des Rheins an der Schweizer
Grenze geplant. Nicht auszudenken! Dann wäre die ganze Region auf Tausende von
Jahren hinaus unbewohnbar. Wie in der Gegend um Fukushima.
    Der Wächter. Dahinter konnte laut der
Einschätzung von gestern auch eine Frau stecken. Iris wusste nicht, warum, aber
für sie kam als Urheber einer solchen Drohung nur ein Mann in Frage. Frauen
benahmen sich anders, wenn sie wütend waren. Sie dachten sich kleine, aber
feine Gemeinheiten aus. Meistens jedenfalls. Oder nahmen Gift zur Hilfe. Das
war statistisch belegt.
    Selbst wenn es hier nicht um Menschenleben gegangen wäre – von
zornigen Aktivisten hatten die Zuständigen beim Bundeskriminalamt, beim
Landeskriminalamt, beim Verfassungsschutz und was es sonst noch so alles für
Institutionen gab, die sich mit den Wutbürgern beschäftigen mussten, mehr als
genug. Weitere Aufstände der Regierten gegen die demokratisch gefassten
Beschlüsse der Regierenden waren um jeden Preis zu verhindern. Zumindest, bis
klar war, wohin die Reise unter dem neuen Ministerpräsidenten ging. Es hatte
sich schon mancher volksnah gegeben und später die Polizei die Kastanien aus
dem Feuer holen lassen. Egal, ob es sich um Regenwald- oder Baumschützer beim
Stuttgarter Bahnhof oder andere Kämpfer für die Natur handelte, die sich nicht
mit demokratisch legitimierten Plänen abfinden wollten. Weitere Aufmärsche,
über die womöglich die Presse berichtete – um Himmels willen nein, kein
neues Stuttgart 21 am Hochrhein.
    Doch der Widerstand hatte sich längst formiert. Noch verliefen die
Aktionen gegen

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