Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hotzenwaldblues

Hotzenwaldblues

Titel: Hotzenwaldblues Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Gabriel
Vom Netzwerk:
verbiegen ließ, weil sie es nicht
allen recht machen wollte, weil sie sich weigerte, aus ihrem Herzen eine
Mördergrube zu machen. Sie war, zumindest was ihre Vorgesetzten anbetraf,
wahrlich kein Ausbund an Diplomatie.
    Dabei konnte sie ganz anders. Sie war die beste Verhörspezialistin,
die er kannte. Da machte ihr niemand so schnell etwas vor. Vielleicht gerade weil sie meist direkt auf den Punkt kam und
sich nicht mit psychologischen Spielchen aufhielt, die inzwischen jeder
Kriminelle aus dem Fernsehen kannte und deshalb auch irgendwie erwartete. Er
hatte mehr als einmal beobachten können, dass sich der Überraschungseffekt zu
ihren Gunsten ausgewirkt hatte.
    Martin Felix verstand nicht, warum sie nicht mehr aus sich machte.
Ein wenig Make-up über die großporigen Stellen neben der Nase, etwas
Abdeckstift, um die Unregelmäßigkeiten des Teints zu kaschieren, und schon wäre
sie recht ansehnlich. Natürlich müsste sie auch andere Kleidung anziehen, nicht
diese Schlabbershirts, wie sie jetzt schon wieder eines trug. Sie musste
endlich lernen, zu ihren Formen zu stehen. Es gab genügend Männer, die barocke
Rundungen mochten. Außerdem musste sie aufhören, Nägel zu kauen, wenn sie
nachdachte. Er hatte mehr als einmal versucht, mit ihr darüber zu reden. Sie
hatte ihn jedes Mal gehörig abgebürstet.
    »Na dann, wir sprechen uns. Ich muss.« Er nickte ihr zu und bog um
die Ecke der Turnhalle, ohne ihren Abschiedsgruß abzuwarten.
     
    Als der Glückliche verschwunden war, besah Iris sich den
Aushang an der Rhinaer Turnhalle. »Achtzehn Uhr, Schnuppertraining für Gewichtheber«
stand da. Sie seufzte. Schnuppern konnte sie ja mal. Schon, damit Trautmann
nicht behaupten konnte, sie habe ihn angelogen. Sie las weiter. Ah, sie musste
dafür tatsächlich in die Rappensteinhalle. Am Mittwoch. Trautmann hatte mal wieder
recht gehabt.
    Was war nun das Fazit des Gesprächs mit Felix? Sie stocherten im
Nebel. Vielleicht kam ihr eine Idee, wenn Sie sich mal persönlich anschaute,
was den Wächter am Autobahnbau eigentlich so
wütend machte. Sie stapfte die Schulstraße bergauf, bog links in die Hohlgasse
ein und marschierte dann über die kleine Schreienbach-Brücke Richtung
Niederhof.
    Sie war schon lange nicht mehr im Birkenfeld gewesen und erkannte
das einst so idyllische Tal kaum wieder – nun ja, idyllisch jedenfalls, so
lange man stoisch über den doppelten Strang aus 38- KV -Strommasten
hinwegsah, der sich in Richtung Schweiz zum großem Umspannwerk von Swissgrid
zog. Gebaut worden waren die Masten ursprünglich von der Energiegesellschaft
Laufenburg, heute war die EGL nur noch einer von
insgesamt acht Aktionären der Swissgrid, allesamt Schweizer
Elektrizitätsunternehmen. Die EGL war nach dem
Bau des Laufenburger Rheinkraftwerks in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts
angetreten, um die Gegend mit günstigem Strom zu versorgen. Das Wasserkraftwerk
erzeugte nicht nur Strom, es verband auch das deutsche mit dem Schweizer Ufer,
denn es war das erste gewesen, das sie quer zum Fluss errichtet hatten. Um
möglichst viel Leistung zu erzielen, waren damals die Laufenburger
Stromschnellen gesprengt worden. Sehr zum Missfallen einer Bürgerinitiative.
Die war eine der ersten Umweltbewegungen der Region gewesen, soweit Iris
wusste. Ja, die Laufenburger hatten Übung im Protestieren.
    Sie sah sich um. Bagger und Buddler hatten im Birkenfeld das
Unterste zuoberst gekehrt. Erdhügel säumten, was einmal eine schmale
asphaltierte Verbindungsstraße nach Niederhof gewesen war. Dort hatten sich
schon wieder die ersten Pflanzen angesiedelt. Kamille krallte sich fest,
trotzte der Trockenheit, die seit Wochen andauerte, und reckte die kleinen
weißen Blüten. Wo sich früher Maispflanzen im Wind gewiegt hatten, erhob sich
jetzt ein turmhoher Erdwall, auf dem eine einsame Walze parkte, abgestellt, bis
der Fahrer am Montag wiederkommen und weiterwalzen würde, um die Fahrbahn für
die Asphaltierung vorzubereiten. Der Rappensteintunnel im Osten, von einer
Bürgerinitiative entgegen der ursprünglichen Pläne mit viel Einsatz erkämpft,
war inzwischen so gut wie fertig.
    Für einen Moment konnte Iris den Wächter und seine Wut fast nachvollziehen. Aber traurig darüber zu sein, dass dieses
Tal so komplett umgekrempelt worden war, und mit Mord und Anschlägen zu drohen,
war Zweierlei.
    Iris wischte sich mit dem Ärmel den Schweiß von der Stirn. Die Sonne
knallte auf den staubigen, mit einer dünnen Lage von kantigem Schotter

Weitere Kostenlose Bücher