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Hotzenwaldblues

Hotzenwaldblues

Titel: Hotzenwaldblues Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Gabriel
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an
neongrün-gelben Westen.
    Sie sind einfach gründlich, diese Schweizer, dachte Iris. Sogar bei
der Organisation von Demonstrationen. Sie schaute sich um. Bisher hatten sich
etwa fünfhundert Menschen auf dem Vorplatz des Bahnhofs eingefunden, um
gemeinsam zum Versammlungsgelände zu ziehen. Sie wusste, dass eine große Gruppe
Demonstranten vom zehn Kilometer entfernten Bahnhof Siggenthal-Würenlingen
hierherwanderte. Doch das war ihr zu weit gewesen. Sie sah auch die
angesprochenen Peacekeeper. Es waren meist junge Männer, barfuß oder in
Schlappen, einige mit Rauschebärten, manche mit Zöpfen oder beidem. Das
Gemurmel vieler menschlicher Stimmen, Lachen, manchmal auch Rufe, war zu hören.
Und Iris fragte sich, ob auch der Schweizer Inlandsgeheimdienst mit dem
eigentlich ziemlich ehrlichen Namen »Dienst für Analyse und Prävention«, kurz DAP , so etwas wie den viel geschmähten »Agent
provocateur« einsetzte, um für Aufruhr zu sorgen und damit die Umweltschützer
als gewaltbereit und unvernünftig zu diskreditieren. Nun, falls dem so war,
würden die Schweizer das genauso vehement abstreiten wie die Geheimdienste der
deutschen Seite. Wahrscheinlich war es aber schon, dass sich hier Ermittler in
Zivil unter die Menge gemischt hatten, verdeckte Ermittler wie sie selbst.
Zumal die Eidgenossen von den Attentatsdrohungen des Wächters wussten. Spätestens seit im Birkenfeld die Bombe hochgegangen war. Der
Austausch über die Grenze hinweg verlief meist problemlos, obwohl es eine EU -Außengrenze war. Mit den sehr zentralistisch
organisierten Franzosen war die Zusammenarbeit nicht so unkompliziert.
    Einige Umweltorganisationen hatten Stände aufgebaut, an denen es
Infomaterial gab und etwas zu trinken. Doch lange Schlangen sah Iris nur vor
den Klohäuschen, die für die Damen gedacht waren und die direkt an den Gleisen
standen. Für die Herren gab es eine Art offenes, etwas höher stehendes Urinal
mit einer Säule, an der vier Schüsseln hingen, und das einen guten Ausblick
über das Gelände bot. Diese Art der öffentlichen Toilette kannte Iris noch
nicht. Das Männerklo wirkte auf sie wie ein Feldherrenhügel, von dem aus die
Offiziere selbst beim Pinkeln den Verlauf der Schlacht kontrollieren konnten.
Es schien sich jedenfalls keiner der Männer daran zu stören, dort seinen
Reißverschluss herunter zu lassen. Natürlich mit dem Rücken zum Publikum. Und
es achtete auch niemand darauf.
    Kleinere Schlangen hatten sich an den Stationen mit den Gasflaschen
gebildet, an denen eifrige Helfer Luftballons für all jene aufbliesen, die kein
Transparent oder Schild dabeihatten. Und für die Kinder natürlich. Immer mehr
grüne Luftballons und natürlich die gelben mit der lachenden Sonne, dem Zeichen
der Antiatomkraftbewegung, das inzwischen fast jeder auf der ganzen Welt verstand,
wurden von Bändeln daran gehindert, zum Himmel aufzusteigen. Iris fing
Sprachfetzen auf – Schwyzerdütsch, Alemannisch, Hochdeutsch, Französisch,
Italienisch, sogar Portugiesisch. Die Menschen kamen aus allen
Himmelsrichtungen. Im Zug, der demnächst einfahren sollte, saßen angeblich über
viertausend Leute. Das hatte ihr eine der beiden Frauen am Lautsprecherwagen
erzählt, als sie sie zwischen zwei Durchsagen angesprochen hatte. Besondere
Vorkommnisse? Nein, natürlich nicht. Die Lautsprecherdamen hatten sie auf ihre
diesbezügliche Frage hin befremdet angeschaut.
    Iris stöhnte leise auf. Das hier war die Suche nach der Nadel im
Heuhaufen. Doch sie konnte sich ein Versagen nicht erlauben. Denn es kostete
möglicherweise Menschenleben. Dass der Wächter es ernst meinte, hatte die Bombe bewiesen. Der verletzte Beamte war noch lange
nicht über den Berg, man hatte ihn in ein künstliches Koma versetzt und konnte
nur das Beste hoffen.
    Während des Wartens auf die Verfassungsschützer am Abend zuvor hatte
sie mitbekommen, dass die Bombe vom Birkenfeld den Kriminaltechnikern dieselben
Rätsel aufgab wie schon die vorherige. Dilettantisch gebaut, alter Sprengstoff.
Andererseits war sie aber sehr präzise platziert worden. An einer Stelle, an
der sie den größtmöglichen Schaden anrichtete. Da kannte sich jemand mit Statik
aus. Die Leute von der  KT hatten sicher die
Nacht durchgearbeitet und jeden noch so kleinen Stein umgedreht, um irgendeinen
Hinweis zu finden. Wenn sie Glück hatten, konnten sie einen Fingerabdruck
sichern. Und wenn sie noch mehr Glück hatten, fanden sie dazu jemanden in der
Kartei.
    Inzwischen hatten sich die

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