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Hotzenwaldblues

Hotzenwaldblues

Titel: Hotzenwaldblues Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Gabriel
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packte den massigen Schweizer am Kragen
und schüttelte ihn wie einen nassen Sack. Die Frauen am Tisch der beiden
kreischten, Iris spurtete los.
    »Paul, Paul, lassen Sie das! Um Himmels willen, lassen Sie den Mann
los!« Sie stolperte über einen Stein und stürzte. »Verfluchte Hacke«, schimpfte
sie und rappelte sich hoch.
    Paul Zumkeller sah sie an, als erwache er aus einem bösen Traum,
seine Hände sanken nach unten. Es waren die Hände eines Mannes, der einer
langen Ahnenreihe von Landleuten entstammte. Große Hände, die zupacken konnten,
die Heu machten und Ställe ausmisteten, die im Zweifel auch ein wildgewordenes
Rindvieh bändigen konnten. Der Mann brauchte keine Muckibude. Wo er zuschlug,
wuchs kein Gras mehr. Zumkeller mochte etwa Mitte dreißig sein, etwas jünger
als sie selbst, schätzte Iris. Er trug einen Schnurrbart unter einer recht
breiten und nach unten überhängenden Nase, die fast wie ein großer Kolben in
Tropfenform aussah. Anders ausgedrückt, er hatte einen gewaltigen Zinken. Dessen
Wirkung wurde durch die verschmitzten, etwas schräg stehenden Augen
relativiert. Nein, ein schöner Mann war dieser Paul Zumkeller nicht. Er wirkte
irgendwie ungelenk – und rührte sie genau deshalb trotz seiner mindestens
ein Meter neunzig an, wie er so dastand und offenbar selbst kaum glauben
konnte, was er gerade in seinem Zorn getan hatte.
    Iris humpelte zu ihm und legte ihm die Hand auf den Oberarm. »Was
halten Sie davon, mit mir ein Stück zu gehen?«, fragte sie. Dann zuckte sie
sehr theatralisch zusammen und sog die Luft ein. »Sssss, ich glaube, ich habe
mir den Knöchel verstaucht.«
    Aus dem gerade noch wütenden Hünen wurde jetzt ein fürsorglicher
Mann. »Oh, das tut mir leid«, antwortete er leise. Es war nicht ganz klar, ob
er damit Stümpfli meinte oder den Umstand, dass Iris gefallen war, um zu
verhindern, dass er dem Schweizer die Luft abschnürte.
    Beat Stümpfli, zwei Zentner breit, in einem grünen Armani-Shirt und
einer bestimmt sündhaft teuren Sonderanfertigung von Jeans, wischte sich mit
einem großen Sacktuch den Schweiß von der Stirn. Sein Gesicht war krebsrot. Er
schnaufte heftig und warf Zumkeller einen Blick zu, der neben der abebbenden
Panik so viel Heimtücke enthielt, dass Iris ganz mulmig wurde. Der Mann würde
sich für diesen Angriff rächen.
    Sie versuchte, Zumkeller von Stümpfli wegzuziehen. »Kommen Sie,
helfen Sie mir auf eine Bank, ich kann kaum noch stehen«, behauptete sie.
    Stümpfli funkelte den Landwirt an. »Das wird Sie no reue«, quetsche
er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor und fügte in bestem Schweizer
Hochdeutsch hinzu. »Und dankchen Sie Gott, dass diese Frau gekommen ist.«
    Jetzt kannst du leicht drohen, dachte Iris. Aber was hättest du denn
tun wollen, trotz deiner zwei Zentner, wenn ich nicht gekommen wäre?
    »Aber, aber«, warf sie ein, »da ist einem Mann nur kurz der Gaul
durchgegangen. Das hat Paul nicht so gemeint.«
    »Sie kchennet den da?« Stümpfli warf ihr einen forschenden Blick zu.
    Iris nickte und wies auf ihren Knöchel. »Paul, bitte!«
    Beat Stümpfli wandte sich ohne ein weiteres Wort zum Gehen und
schlängelte sich für seine Fülle sehr behände durch die Menschen auf der Wiese.
    Iris und Paul Zumkeller sahen ihm nach. »Danke«, sagte Zumkeller
schließlich. »Können Sie es noch einen Moment aushalten? Dann besorge ich einen
Stuhl.« Er sah sich suchend um.
    »Geht schon wieder«, meinte Iris grinsend.
    Er wurde richtig rot, als er begriff, dass sie seinetwegen Theater
gespielt hatte. Herrje, schön war er nicht, dieser Hotzenwaldbauer, aber
irgendwie süß.
    Ein Handy klingelte, und Iris griff automatisch in ihre
Umhängetasche, Paul Zumkeller in seine Jeans. Eine aus dem Billigladen.
    Es war Zumkellers Handy. Sein Gesicht wurde immer ernster, während
er zuhörte. Dann legte er auf und sagte: »Ich muss sofort nach Herrischried.«
    »Was ist los? Ist was passiert?«, erkundigte sich Iris.
    »Im Altenheim brennt’s. Das war der Kreisbrandmeister. Er sagt, es
sei noch nicht klar, wie schlimm es wird, bis das Feuer unter Kontrolle
gebracht werden kann. Sie brauchen jeden Mann. Ich gehöre zum Atemschutztrupp.
Aber ich bin mit dem Zug da, ich hab kein Auto. Bis ich mit öffentlichen
Verkehrsmitteln auf dem Wald bin, das dauert ewig.«
    Iris war alarmiert. Sie musste sofort daran denken, dass sie noch
immer nach der zweiten Warnung des Wächters suchte. »Ich hab ein Auto. Ich bringe Sie. Mein Parkplatz ist

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