Hotzenwaldblues
es sich vorgestellt haben. Es geht ja schon
jetzt alles schief.«
»Was genau meinen Sie?«
»Tja, lassen Sie mich überlegen. Bei der Bohrung des Sondierstollens
letztes Jahr um Ostern herum sprudelte das Wasser an manchen Stellen regelrecht
aus dem Gestein. Fünfundzwanzig bis dreißig Liter pro Sekunde sollen es gewesen
sein. Angeblich. Im November letzten Jahres genau dasselbe. Soweit ich weiß,
hatten die aber nur eine Genehmigung zum Ableiten von viel weniger Bergwasser.
Beim Landratsamt haben sie dann den Antrag gestellt, fünf Liter mehr ableiten
zu dürfen. Dabei war die Ursprungsmenge, die aus dem Felsen kam, meines Wissens
aber bereits weit größer als die schließlich erlaubte Literzahl pro Sekunde. So
viel zu den Fachleuten. Gut, ich würde nie wagen zu behaupten, dass sich da
bezüglich der wirklich angefallenen Wassermengen jemand bewusst verrechnet hat.
Aber komisch ist es schon.«
»Das klingt bitter. Glauben Sie denn, das sind alles Dilettanten?
Die wissen doch, was sie tun. Hat das Landratsamt sich denn nicht
eingeschaltet? Gab es Strafen?«
»Ha, der Himmel erhalte Ihnen Ihren Kinderglauben. Die stecken doch
alle unter einer Decke. Landratsamt, Schluchseewerk, Regierungspräsidium –
bis hin nach Stuttgart. Oder glauben Sie, der Mappus hat den Kauf der Anteile
an E n BW gleich nach
der Verlängerung der AKW -Laufzeiten umsonst still
und heimlich eingefädelt? Das wäre jedenfalls ein ziemlicher Zufall.«
»Sie wollen doch nicht unterstellen, dass hier mit unlauteren
Methoden gearbeitet wird?«
»Wo werde ich denn. Glauben Sie, ich handle mir eine Anzeige wegen
Verleumdung ein? Aber eines ist so sicher wie das Amen in der Kirche: Wenn die wissen, was sie tun, dann nur, um
möglichst viel Geld zu verdienen. Sie glauben tatsächlich den Scheiß vom in
Atdorf ökologisch produzierten Strom? Da geht es auch bloß ums Geschäft. Ich
glaube, vor der neuerdings so viel propagierten Energiewende dachten die sich
das ursprünglich so: Die großen Schluwe-Mütter RWE und E n BW , die wegen
ihrer Abnahmemengen kräftig handeln können, kaufen billigen Strom, zum Beispiel
von den französischen Atomkraftwerken, und geben ihn an die Schluwe weiter. Ich
habe gehört, zu bestimmten Zeiten, bei geringem Stromverbrauch, bekommen sie
sogar Geld, wenn sie den Erzeugern den Strom abnehmen, der gerade nicht gebraucht
wird. Aber auch ohne billigen Atomstrom aus dem Ausland ist die Schluwe ein
Umschlagplatz für den Überschuss. Es ist nämlich so: Die Einspeisung von Strom
aus regenerativen Energien ins Netz hat wegen der gesetzlich garantierten
Abnahme ›Vorfahrt‹. Und da die Netze nur eine gewisse Kapazität haben, müssen
sie den anderen Strom, sogar den selbst produzierten, loswerden. Sie wissen,
dass E n BW zwei AKW s betreibt? Oder besser: bis vor Kurzem betrieben
hat. Und die mussten sich schließlich rentieren. Da kommt dann auch das Thema
der zusätzlichen Speicherbecken ins Spiel. Bei der Schluwe wird mit dem
billigen oder überflüssigen Strom Wasser hochgepumpt und über Turbinen
abgelassen, wenn der Stromverbrauch hoch ist – um den so entstehenden
›Öko-Strom‹ dann zu Spitzenlastzeiten mit kräftigem Gewinn an die Kunden zu
verhökern. Gut, ich gebe zu, ich hab das jetzt etwas verkürzt dargestellt. Aber
so in etwa ist es. Das verstehen die unter Ökologie. Und
Sie werden sehen, mit der Energiewende werden die Strompreise noch weiter
steigen.«
Iris war baff. Dieser Mann, der aussah wie ein Bauer, hatte sich in
Themen eingearbeitet, von denen sie selbst nur ansatzweise etwas verstand.
»Aber jetzt werden die deutschen AKW s doch
abgeschaltet.«
»Ach? Werden sie das? Soweit ich weiß, gehen erst mal sieben vom
Netz. Ob das so bleibt, werden wir sehen. Von Rückbau hab ich jedenfalls noch
nichts gehört, auch nicht bezüglich der zwei AKW s
von E n BW . Ach ja,
auch das AKW Leibstadt auf der anderen Rheinseite
soll heruntergefahren werden, es geht aber frühestens 2034 vom Netz. Falls die
Schweizer Ernst machen und der Volksentscheid entsprechend ausfällt. In
Frankreich laufen die Meiler weiter. Die liefern den Atomstrom, den wir nicht
mehr selbst produzieren, natürlich gern, also laufen die Stromgeschäfte
trotzdem weiter. Dafür machen die Energiekonzerne mit Hilfe unserer Politiker
dann unsere Heimat kaputt, kaufen unsere Höfe auf und vernichten Quellen,
riskieren sogar einen hohen Nitrateintrag im Grundwasser. Eine der Rickenbacher
Mühleweiherquellen stand wegen der
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