Hotzenwaldblues
Außerdem
war er kreidebleich. Dadurch traten die Altersflecken in seinem Gesicht und auf
den Händen besonders deutlich hervor.
»Ich hatten g’schwind im Friseurladen näbedra ab’gsetzt. Er hät sim
Schwiegersohn it begegne wölle. Dr Joseph und ich wolle mit ihm in’d Schwiz go,
zu derra Krüterfrau, die isch au Heilerin, wisset Sie. Mitem Franz schtimmt
öbbis it. Sie hät g’sait, sie kchan au sine Warze und die ganze dunkle Flecke
beschpreche. Und der Joseph meint, s’kchönnt ja it schade. Er isch Buur uffm
Hotzewald gsi, er musses jo wisse. Au wenn er’n schtudierte Landwirt isch.«
Joseph Kohlbrenner nickte. »Die Familie vom Franz weigert sich
strikt, ‘s sei Humbug, hän se g’sait. Dabi ischer scho zweimal im Krankehus
gsi. Ohne dasses besser gworden isch. Und wer hilft, hät recht, oder? Oje,
Franz, was isch los mit dir?« Er packte Örtler besorgt am Arm. »Franz isch ab
und an a weng durchanand und schwächelt, wisset Sie.« Als der alte Mann nicht
auf seine Ansprache reagierte, rief Joseph Kohlbrenner: »Franz, jessas! Ich
glaub, es isch besser, mir holet en Krankewage.«
Das fanden auch Iris und Linda. Franz Örtler schwankte erneut,
wirkte völlig abwesend. Aus dem einen Mundwinkel zog sich ein Faden Speichel
bis auf seine Brust. »Kopf, mein Kopf«, stöhnte er.
Dann kippte er um.
»Um Himmels willen«, murmelte Linda und griff zum Telefon.
Eine Viertelstunde später war der Notarzt da und verpasste dem alten
Mann eine Spritze. »Gleich geht es Ihnen wieder besser, aber Sie sollten auf
jeden Fall ins Krankenhaus zur Beobachtung«, ordnete er an.
Franz Örtler krächzte etwas, was Iris als Widerspruch interpretierte.
Doch seine Äußerung verhallte ungehört. Die Sanitäter versprachen, die Familie
zu informieren. »Wir transportieren ihn nicht das erste Mal ins Krankenhaus«,
meinte einer.
»Mir fahret mit«, erklärten Joseph Kohlbrenner und Johannes Forstweiler
unisono.
»Aber nicht im Krankenwagen«, widersprach der Sanitäter.
Der Notarzt schaltete sich ein. »Es hilft ihm vielleicht, wenn Sie
einen seiner Freunde zu ihm setzen. Möglicherweise nimmt das dem Patienten ein
wenig die Angst. Und der andere kann den Bus nehmen.«
So wurde es gemacht. Johannes Forstweiler fuhr mit dem Bus, Joseph
Kohlbrenner begleitete Franz Örtler im Krankenwagen.
Kurz darauf erschien Max Trautmann im Laden. »Was war denn hier los?
Ich hab das Martinshorn gehört.«
Linda blinzelte ihm erfreut zu. Zeit zum Küssen bekam sie nicht,
denn gleich nach Trautmann betrat eine Kundin den Laden, die eine ausgiebige
Beratung bezüglich eines Kinderbuches für ihren dreijährigen Enkel wünschte.
Behauptete sie jedenfalls. Ihr nächster Satz lautete jedoch: »Oje, was war denn
hier los?« Linda erklärte es ihr.
Es kamen noch weitere Menschen herein. Trautmann machte einen Bogen
um alle und gesellte sich zu Iris.
»Na, Sie haben mir gerade noch gefehlt«, meinte diese. Sie hatte
gehofft, nach all der Aufregung endlich ihr Laugencroissant essen und ihren
Kaffee trinken zu können. Doch angesichts der Gaffer, die sich, angelockt durch
den Krankenwagen und das Notarztfahrzeug, in und vor der Buchhandlung
versammelt hatten, war das ohnehin illusorisch. Auch einige Bewohner des fast
benachbarten und erst vor wenigen Jahren direkt am Rhein auf einem der
schönsten Laufenburger Grundstücke gebauten Altenheims des
Arbeiter-Samariterbundes, von dem Joseph Kohlbrenner vorhin gesprochen hatte,
waren unter den Schaulustigen. Lindas Laden war für sie eine beliebte
Anlaufstelle. Iris hatte immer ein mulmiges Gefühl, wenn sie an dem Haus
vorbeiging. Damals, als es gebaut worden war, hatte Bowie, der Messerstecher,
hinter einem Bauzaun auf sie gewartet. »Was machen Sie hier?«
»Ui, die Dame ist miesepetrig. Ich habe eine Verabredung mit Franz
Örtler und Johannes Forstweiler sowie deren Kumpel Joseph Kohlbrenner.
Allerdings erst später.«
»Haben Sie?«
»Ja, habe ich.«
»Seit wann so menschenfreundlich? Ich dachte, Sie mögen keine alten
Männer.«
»Ich mochte nur meinen Stiefvater nicht. Aber die Herren
Forstweiler, Örtler und Kohlbrenner sind ein interessantes Trio. Wir haben
etwas zu bereden. Wieso sind Sie so schlecht gelaunt?«
»Sie wären auch miesepetrig, wenn Sie sich die halbe Nacht um die
Ohren geschlagen hätten, um einen Trojaner zu finden, der sich in Ihrem PC eingenistet hat.«
»Und, haben Sie ihn gefunden?«, erkundigte sich Max Trautmann
interessiert.
»Ja, hab ich. Um halb fünf
Weitere Kostenlose Bücher