Hotzenwaldblues
Ritter zu sein.
»Kein Problem«, antwortete Franziska Bach freundlich. »Wir sind
immer gerne behilflich. Am besten fahren wir mit einem Schluchseewerkswagen. Im
Kofferraum sind schon Helme und Gummistiefel. Welche Größen haben Sie?«
Iris wand sich etwas. Sie fand, sie hatte zu große Füße für ihre
Höhe, wusste Trautmann. »Neununddreißig«, nuschelte sie.
»Wie bitte?«
»Neununddreißig«, sagte sie gezwungenermaßen deutlicher.
»Ich habe Größe dreiundvierzig«, erklärte Trautmann.
»Neununddreißig und dreiundvierzig? Prima, das passt ja. Stiefel in
dieser Größe habe ich eingepackt. Es kann aber sein, dass wir sie gar nicht
brauchen. Aufgrund der langen Trockenheit ist es nicht mehr sehr feucht im
Tunnel. Die ARD kommt mit dem eigenen
Übertragungswagen hinterher. Ihre Kollegen müssten jetzt wirklich jede Minute
hier auftauchen.« Was sie genau in diesem Augenblick taten.
Nach einigem Hin und Her, bei dem sich besonders die Fernsehleute
sehr wichtig gaben, ging es endlich los. Max Trautmann nutzte die Gelegenheit,
den Techniker anzusprechen, der ihm einen Blick in den Ü-Wagen gestattete,
während Kameramann und Redakteur Franziska Bach erklärten, was sie sich unter
einem guten Drehort vorstellten. Diese hörte freundlich lächelnd zu und bat
schließlich zum Aufbruch.
Auf der B34 ging es Richtung Wehr und von dort weiter zum Schluchseewerk,
immer der Beschilderung nach. Max ärgerte sich, denn Iris flirtete mit dem
Pressefuzzi von der »Zeit«, der zwischen ihnen auf der Rückbank saß. Schamlos,
wie er fand. Der »Focus«-Mann hatte vorne neben Franziska Bach Platz genommen.
Er war zu dick für die Rückbank. Max hätte Iris erwürgen können. Doch da das
insgesamt gesehen keine gute Idee war, schaltete er so gut es ging auf Durchzug
und schaute angelegentlich zum Fenster hinaus.
Die Todtmooser Straße mäanderte bergauf, vorbei an moosbewachsenen
Felsformationen und Tannen. Linker Hand, auf seiner Seite, hatte die Wehra
einen tiefen Einschnitt in die Berge gefräst. Er konnte den Fluss selbst durchs
geschlossene Autofenster rauschen hören. Das Wehratal war ein Eldorado für
Wanderer, wild-romantisch, mit Felsgesichtern, die an Trolle erinnerten, und
verwunschenen Waldlichtungen, auf denen Feen tanzten.
Max war gern hier, er hatte im Bannwald an der Wehratalschlucht, in
der Gegend um die Burg Bärenfels und oben beim Ibacher Kreuz schon manche Tour
gemacht, um sich seine Einsamkeit von der Seele zu laufen. Es gab hier den
Wehratal-Erlebnispfad, der den Fluss von der Quelle bis zur Mündung begleitete.
Die Bezeichnung für den Fluss ging nach Meinung von Historikern auf eine
vorgermanische Bezeichnung zurück, in der das indogermanische Wort »rhei« für
»fließen« enthalten sein sollte. Das hatte er einmal in dem Faltblatt gelesen,
das es zum Erlebnispfad gab. Für den Rhein traf das zu. Max wusste jedoch bis heute
nicht, wo er das »rhei« im Namen Wehra suchen sollte. Aber bitte, wenn die
Historiker das sagten.
Der Kollege von der »Zeit« kramte umständlich in seiner Jackentasche
und stieß Max dabei seinen Ellbogen in die Seite, worauf dieser vernehmlich
schnaufte. Doch den Reporter schien das nicht zu interessieren, er strahlte
Iris an und zückte genau das Faltblatt, an das Max gerade gedacht hatte.
»Im Berglewald – oberhalb der Wallfahrtsgemeinde Todtmoos –
liegt in einer Höhe von elfhundert Metern die Quelle der Wehra am Südwest-Hang
des Schwarzen Stocks«, las er vor. »Auf ihrem 27 Kilometer langen Weg bis
zur Mündung in den Hochrhein durchquert sie eine reich gegliederte Landschaft.
Ihr Lauf führt von den Höhen des Schwarzwalds in das eiszeitlich geformte Tal
von Todtmoos, dann unterhalb von Todtmoos-Au in die 9,5 Kilometer lange
wilde Wehraschlucht mit bis zu 300 Meter hohen Felswänden. Ab Wehr fließt
die Wehra entlang der tektonischen Bruchzone zwischen der Karstlandschaft des
Dinkelbergs und dem Höhenzug des Hotzenwaldes, um sich bei Brennet in 283 Meter
Höhe in den Hochrhein zu ergießen. Die Wehra entwässert ein Gebiet von 115 Quadratkilometern.«
»Ach, lesen können Sie auch?« Max konnte sich die Bemerkung einfach
nicht verkneifen. Iris nickte und lächelte, als habe ihr dieser »Zeit«-Fuzzi
gerade die wichtigste Nachricht ihres Lebens überbracht. Sie tat so, als sei
er, Max, überhaupt nicht vorhanden. »Die Entstehung von Todtmoos geht angeblich
auf eine Marienerscheinung zurück«, erklärte er deshalb.
Der Pressetyp deutete auf
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