Hotzenwaldblues
das Faltblatt. »Das steht da auch. Sie
können offenbar ebenfalls lesen.«
»Eins zu null gegen Trautmann«, kommentierte Iris.
Max kniff die Lippen zusammen und beschloss, ab sofort zu schweigen.
Komme, was da wolle.
Sie waren inzwischen an der Abzweigung zum Kavernenkraftwerk
angekommen und näherten sich einigen Gebäuden und dem Eingang zu einem Tunnel.
Der war durch ein Gittertor versperrt. Davor standen drei Wachleute mit
Knüppeln am Gürtel. Das Schluchseewerk wollte nach dem Bombenfund wohl auf
Nummer sicher gehen. Sie nickten, als sie die Pressesprecherin erkannten, und
rückten zur Seite. Franziska Bach schaute über ihre Schulter nach hinten,
lächelte Max Trautmann zu, was diesem ausnehmend gut gefiel, griff unter das
Armaturenbrett und steckte eine Plastikkarte in den dafür vorgesehenen Schlitz
eines gelben Gerätes am Straßenrand direkt vor dem Tunneleingang. »Wir müssen
uns hier anmelden.«
Das Gitter schwang auf, und die kleine Wagenkolonne, das Auto des
Schluchseewerks und der Ü-Wagen der ARD , tauchten
ein in die von Lampen nur unzulänglich erhellte Dunkelheit eines etwa
zweieinhalb Meter breiten Tunnels. Es ging rund einen Kilometer in den Berg
hinein, dann stellte Franziska Bach den Wagen ab. Ein Bauwagen, ein Biertisch,
eine Raupe und vier Männer versperrten die Weiterfahrt. Alles war beleuchtet
vom grellen Schein mehrerer Lampen. Hinter dem Biertisch machte Trautmann eine
Nische in der Felsenwand aus, in der ein mächtiger gelber Kasten stand, aus dem
Kabel quollen. Offenbar holten sie sich hier den Strom.
Die Pressesprecherin des Schluchseewerkes stellte die Arbeiter als
Mineure vor, was ganz praktisch war, denn keiner war in diesem Moment mit
Arbeiten rund um den Bergbau beschäftigt. Einer schraubte an der Schaufel des
Baggers herum. Zwei saßen am Tisch und hatten Plastikschachteln, Thermoskanne
sowie zwei Becher vor sich und kauten. Es war gerade z’Nüni. Wobei dieser
Begriff nicht nur die Pausen um neun Uhr morgens beschrieb. Ein z’Nüni konnte
zu jeder Tages- und Nachtzeit stattfinden, auch sehr spontan und wie jetzt am
Nachmittag. Es war auch nicht auf den Bergbau beschränkt, aber immer auf die
offizielle Arbeitszeit.
Die ARD -Leute begannen, ihre
Utensilien auszupacken. Die Mineure sahen mit mildem Interesse zu. Auch sie
waren den Presseauftrieb schon gewohnt. Franziska Bach öffnete den Deckel ihres
Kofferraumes und wies auf Helme und Gummistiefel. »Bitte, hier, Sie müssen
Helme tragen. Die Gummistiefel brauchen wir wohl nicht. Aber falls jemand
Bedenken hat, dass es nasse Füße gibt …«
Die Typen vom Fernsehen benahmen sich genauso arrogant, wie Max sich
das immer vorgestellt hatte. Sie drängten sich sofort nach vorne. Er sah sich
um, während er wartete, bis er an der Reihe war, um sich seinen Helm abzuholen.
»Aus welchem Jahr stammen eigentlich die Pläne?«, fragte der
»Zeit«-Mann.
»Die sind schon etwas älter«, antwortete Franziska Bach.
»Kann es sein, dass das in etwa mit dem Anbrechen des Atomzeitalters
in den sechziger und siebziger Jahren zusammenfiel?«
Max hörte interessiert zu und war gespannt auf die Antwort. Der Typ
hatte also tatsächlich seine Hausaufgaben gemacht.«
»Ja, so in etwa«, war die Antwort.
»Und dann sind sie in der Schublade gelandet? Weshalb?«
»Sie waren damals nicht rentabel«, meinte Franziska Bach. »Doch
heute brauchen wir Speicherbecken mehr denn je, um auch zu Spitzenlastzeiten
zuverlässig Strom liefern zu können. In gewissem Sinne liegt der Grund im
wachsenden Anteil an erneuerbaren Energien. Sie wissen sicher, dass Ökostrom im
Netz Vorfahrt hat. Dumm ist nur, dass der Wind nicht immer dann bläst, wenn
Strom gebraucht wird, und auch die Sonne nicht immer dann scheint, wenn sie
benötigt wird. Also müssen wir in Zeiten der Stromüberschüsse Energie
speichern. Grundlastkraftwerke lassen sich nun mal nicht einfach so an- und
ausstellen.«
»Hat es aber damals nicht auch Widerstand gegen die Pläne gegeben?
Wenn ich mich richtig erinnere, gab es zu der Zeit Proteste gegen das AKW Wyhl, das dann auch nicht gebaut wurde.«
Franziska Bach schaute den Journalisten unverändert freundlich an.
»Möglich. Aber ausschlaggebend war damals meines Wissens die Frage der
Rentabilität.«
»Und jetzt ist es rentabel? Was machen Sie denn, wenn die Technologie
Fortschritte bezüglich anderer Speichermedien macht?«
»Ja, wir denken, es ist rentabel. Und bis andere Speichermedien zur
Verfügung stehen, kann es
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