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House of God

House of God

Titel: House of God Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Samuel Shem
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könnte es aber nicht. Vielmehr müßten wir noch etwas härter arbeiten: »Sie müssen alle einspringen und aushelfen.«
    Wie so viele Dinge im
House of God
schien auch diese Reaktion unserer Vorgesetzten haarsträubender, als man sich je hätte vorstellen können. Und doch hätten wir es uns eigentlich alle denken können. Niemand sprach davon, wie sehr Potts vom Personal des
House of God
mit dem Gelben gequält worden war, daß keiner seinen Schmerz zur Kenntnis genommen hatte. Wir taten alles, um Potts schnell zu vergessen. Lange Zeit war das jedoch nicht möglich, denn immer, wenn wir unsere Wagen auf den Parkplatz stellten, sahen wir die kleine, fleckige Verfärbung auf dem Asphalt, obwohl wir uns alle Mühe gaben, dies zu vermeiden. Keiner von uns wollte mit dem Wagen über Potts fahren, auch wenn er schon tot war. Anfangs gab es einen guten Grund, den Fleck zu meiden, weil noch richtiges Blut und Reste von Haaren und Knochen in dem Asphalt steckten. Das Parkproblem verschärfte sich, und jemand von der Hauswirtschaft wurde schließlich beauftragt, die Reste wegzuschrubben. Man gab sich alle Mühe, doch obwohl Haare und Knochenreste fortgewaschen wurden, war es schwer, die Verfärbung wegzubekommen. Sie war zwar heller geworden, aber der Teufel wollte, daß sie sich gleichzeitig weiter über den Parkplatz verteilt hatte, so daß es noch schwieriger wurde, sie zu meiden. Jeden Tag schlichen wir mit unseren Wagen herum, nur um nicht auf Potts parken zu müssen. Jeder wollte an der Außenkante stehen. Manche kamen sehr früh, um nicht in die Mitte zu müssen. So war es im Grunde eine noch schlimmere Erinnerung als vorher. Jeder sah in der verschwommenen, schwachen Verfärbung erst einen Fleck von Knochen und Blut und Haar, dann Potts, wie er fiel, Potts, wie er hinuntersprang, und schließlich den sehr traurigen Potts, als er noch am Leben war, und dann, als letztes, den lebendigen Potts, der unter Schuldgefühlen zerbrach, weil er dem Gelben keine Steroide gegeben hatte. Wenn wir daran dachten, wie sie Potts gequält hatten, bis er nicht mehr konnte, wurden wir wütend, denn Potts wäre mit seinem Mitgefühl und seiner Freundlichkeit ein wunderbarer Arzt geworden. Nun war er tot. Eine Schande!
    »Was ist Selbstmord?« fragte ich Berry.
    »Komm«, sagte sie und zog mich an sich, »leg deinen Kopf hierher. Schließ die Augen. Was fühlst du?«
    Leere. Dann Wut: »Ich bin total fertig. Ich bin so wütend, ich könnte töten!«
    »Das ist Selbstmord. Unter der unglaublicher Spannung, allein, ohne jede Hilfe von euren Bossen, haben die meisten von euch bizarre Wege gefunden, um ihren Zorn aus sich hinauszuprojizieren. Nimm Hoopers Rollentausch mit dem Tod oder den Sex bei dem Kleinen. Potts hat nichts dergleichen gemacht. Er hat sich nie seltsam benommen, ist nie zornig geworden. Er nahm seine Wut und sprengte sich selbst damit in die Luft. Introjektion. Das Gegenteil von dem, was du tust.«
    »Was tue ich?«
    »Du ziehst über alles her, du bist sarkastisch, du bist ziemlich unerträglich, aber das ist dein Versuch, es zu überstehen.«
    Überstehen? Es war keineswegs sicher, daß ich Gomer-City überstehen würde. Ich wußte nicht mehr viel, aber das eine war mir klar, ich war in großen Schwierigkeiten und benahm mich wie ein Verrückter, und eigentlich war es mir egal.
    Der Dicke und ich saßen im Dienstzimmer. Tod lag in der Luft. Dickie sah traurig aus, und ich fragte ihn, woran er dachte.
    »Granaten-Zimmer-Dubler und seinen HDF -Dienst« sagte er.
    » HDF -Dienst?«
    »Ja. Halt-Den-Fahrstuhl-Dienst. Als Dubler hier in Gomer-City war, hatte er es so dicke, daß er, so erzählt man sich, die Gomers
en gros
kalt machte. Er benutzte KCL intravenös, weil es bei der Autopsie nicht entdeckt werden kann. Immer, wenn er den Fahrstuhl nach unten nehmen wollte, schrie er: Halt Den Fahrstuhl! und brachte dann eine Leiche nach unten in die Leichenhalle. Es heißt, Dubler sei selten allein nach unten gefahren.«
    »Was? Er hat Gomers kalt gemacht?«
    »Ein Gerücht, Basch, ein Gerücht.«
    Wir saßen eine Weile still nebeneinander, meine Gedanken kreisten um den HDF -Dienst und um Saul den Schneider und Wayne Potts. Ich fühlte mich taub. Nach einer Weile sah ich auf. Der Dicke weinte. Stille Tränen füllten seine Augen, fette, nasse Tränen von Verzweiflung und Verlust. Sie rollten ihm über die Wangen. Er saß ganz still da, ein überwältigter Held.
    »Warum weinen Sie?«
    »Roy, ich weine um Potts. Und ich weine um

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