House of God
Dicken,
stat.
«
»Oh? Meinst du, du brauchst ihn? Nein, Roy, du schaffst das. Außerdem heißt es, du wirst nie ein richtiger Arzt, wenn du nicht wenigstens ein paar Patienten umbringst.«
»Nun hilf mir doch«, sagte ich und versuchte klar zu denken.
»Was soll ich tun?«
Als der Dicke ankam, schnaufte er vom eiligen Treppensteigen. Da er meine Panik spürte, befahl er mir, meinen eigenen Puls zu fühlen. Während ich gehorchte, brachte er Jimmy soweit in Form, daß er wenigstens nicht sofort starb. Er attackierte ihn mit seinem phantastischen, sanften Können und man konnte förmlich das Klick Klick Klick jedes seiner Handgriffe hören. Dickie schwatzte, während er arbeitete. Dabei richtete er sich an uns alle, die Schwester und eine Frau namens Gracie von der Diätberatung eingeschlossen, die aus irgendeinem Grund um diese späte Stunde bei ihm gewesen war – im Bett?
»Was ist los mit Jimmy?« fragte der Dicke und schob eine dicke Nadel in ihn hinein.
»Lungenkrebs«, sagte ich.
»Gott«, sagte Dickie, »und er ist jung genug, um daran zu sterben.«
»Wenn ich du wäre, würde ich es mit Laetrile versuchen«, sagte Gracie.
»Womit?«
»Laetrile. Eine Krebsbehandlung«, sagte Gracie.
»Eine was?« stieß der Dicke aus und richtete sich stocksteif auf.
»Die Mexikaner haben herausgefunden, daß ein Extrakt aus Aprikosenkernen, Laetrile genannt, Krebs heilen kann. Unkonventionell, aber …«
»Aber ein Vermögen wert«, sagte Dickie mit leuchtenden Augen. »He, hören Sie zu, darüber will ich mehr wissen, Roy«, sagte er und wollte gehen.
»Dickie, warten Sie!« sagte ich. »Lassen Sie mich jetzt nicht allein!«
»Haben Sie gehört, was Gracie gesagt hat, Roy? Ein Mittel gegen Krebs. Komm, Gracie, das mußt du mir genau erzählen.«
»Blödsinn«, sagte ich. »Es gibt kein Mittel gegen Krebs, das ist ein Witz.«
»Ist es nicht«, sagte Gracie empört. »Bei dem Mann meiner Cousine hat es geholfen. Der lag im Sterben und jetzt geht es ihm gut.«
»Lag im Sterben und jetzt geht es ihm gut«, sagte Dickie, wiederholte es wie in Trance, als er zur Tür ging, »lag im Sterben und jetzt geht es ihm gut.«
»Bitte, Dickie«, sagte ich. »Lassen Sie mich jetzt nicht allein«, da Jimmy schon wieder sterben wollte und ich schon wieder in Panik geriet.
»Warum nicht?« fragte der Dicke zerstreut.
»Ich hab Angst.«
»Immer noch? Brauchen Sie immer noch Hilfe?«
»Ja, bitte.«
»Na gut, dann sollen Sie sie kriegen. An die Arbeit.«
Wir gingen an die Arbeit, aber bald merkte ich, daß der Dicke verschwunden war und ich allein war mit Jimmy und Howie und Maxine, der Nachtschwester. Da wußte ich, daß der Dicke verschwunden war und mir die Verantwortung überlassen hatte, weil er wußte, ich würde es schaffen, und ein warmes Gefühl durchströmte mich. Ich konnte es schaffen. Und obwohl ich die größte Lust hatte, die Scheiße aus Howard herauszuprügeln, arbeitete ich an Jimmy, bis klar wurde, daß er künstlich beatmet werden mußte. Das bedeutete eine Abschiebung auf die Intensivstation, und als ich den fröhlichen, sadistischen
Chirurgie-Resident
losschieben sah, mit Jimmy, der jetzt von so vielen Schläuchen umgeben war, daß er aussah wie ein Fleischkloß in einer Spaghettischüssel, war ich erleichtert. Howard sagte:
»Eindrucksvolle Arbeit an einem harten Fall.«
Er ging, und ich war bis zu den Augen von Haß erfüllt. Der Schweiß tropfte mir von der Stirn auf Jimmies Akte, und die Grippe tropfte durch jeden Muskel und jede Darmwindung meines Körpers. Ich beendete meinen Schreibkram und schickte Bruce den Kneifer damit zur Intensivstation. Einen Augenblick saß ich in Gedanken versunken da. Das war die schlimmste Nacht meines Lebens gewesen, aber nun war sie vorüber, und ich konnte schlafen gehen. Jetzt konnten sie mich nicht mehr kriegen. Durch das offene Fenster drang der angenehme Geruch von frischem Regen auf heißem Asphalt.
Da kam die Schwester herein und sagte:
»Mr. Lazarus hat gerade blutigen Stuhlgang gehabt.«
»Oh, das ist wirklich komisch, Maxine. Sie haben Sinn für Humor.«
»Nein. Das ist ernst. Das Bett ist total vollgeblutet.«
Sie wollten, daß ich weitermachte, aber ich konnte nicht. Die Welt stand unmittelbar vor dem Urknall.
»Ich kann heute nacht nichts mehr tun«, hörte ich mich sagen.
»Bis morgen.«
»Hören Sie, Roy, verstehen Sie nicht? Er hat fast vier Liter Blut verloren. Er liegt in seinem Blut. Sie sind der Arzt, und Sie müssen etwas
Weitere Kostenlose Bücher