House of God
tun.«
Wütend verscheuchte ich den Gedanken, daß Lazarus zu sterben versuchte, und daß ich wollte, daß er starb, denn ich mußte mich auf den Kopf stellen, um ihn daran zu hindern. Ich ging in sein Zimmer und stand dem fauligen, schwarzen, klebrigen, nassen Blut gegenüber. Wie auf Autopilot geschaltet machte ich mich an die Arbeit. Meine letzte klare Erinnerung war, daß ich eine Nasensonde in seinen Magen schob und das erbrochene Blut in hohem Bogen über mich spritzte, während Lazarus seine dem Tode trotzenden Augen rollte.
Gleich nach Lazarus, kurz vor Tagesanbruch, kam Dr. Sanders zurück. Kahl von der Chemotherapie, infiziert und aus allen Löchern blutend, hatte er seinen Ausflug zum Fischen abbrechen müssen.
»Ich bin froh, daß Sie sich wieder um mich kümmern werden«, sagte er mit schwacher Stimme.
»Ich auch«, sagte ich und hätte gern gewußt, ob dies seine letzte Aufnahme sein würde. Ich spürte, wie nahe er mir stand.«
Denken Sie daran, Roy, kein Getuschel hinter meinem Rücken. Und was die heldenhaften Anstrengungen angeht, die werden wir gemeinsam besprechen.«
Ich legte ihn zu Saul, dem Schneider, ins Zimmer und dachte, daß Dr. Sanders sterben würde, während Saul vielleicht gerade alt genug war, um zu überleben. Wie verrückt war das! Als ich mich in meinen verschmutzten Kleidern für kurze Zeit schlafen legte, hätte ich gern gewußt, wo Molly jetzt war, mehr als wo Berry war, und ich fragte mich, ob dies der Anfang war von RK , Romanze kaputt, und dann dachte ich mit Vergnügen an den Anruf, den ich gegen 1 Uhr von June, der Dichterin des Kleinen, bekommen hatte. Sie hatte gefragt, ob ich wüßte, wo er sei. Und ich kicherte in mich hinein und schrieb in Gedanken einen Brief, den ich dem Kleinen später geben wollte: »Gratuliere zu deiner bravourösen dreidimensionalen Liebesnacht. Hiermit wirst du wegen Vergewaltigung verklagt. Rotes Schamhaar, ich warne dich, wird bei Gericht gegen dich aufstehen.« Aber dann fiel mir ein: Verdammt, der Kleine wußte, was Angel mit ihrem Mund machte, während ich bei Molly nicht über ihre langen Brustwarzen hinausgekommen war. Schließlich sagte ich mir aber, daß bisher niemand wußte, was Angel mit ihrem Mund machte, weil ich das einfach erfunden hatte, um Howard zu ärgern, den Optimisten, der genau wußte, daß das ganze Arztsein letztlich doch nur für die Katz ist. Mir war klar, sie würden mich nie mehr so quälen können, wie sie mich in dieser Nacht gequält hatten. Aus diesem Chaos würde langsam Selbstvertrauen und Können erwachsen. Es war etwas passiert, während ich mit Saul, Jimmy, Lazarus und Dr. Sanders zusammen war. Ich hatte meine Angst niedergedrückt und in Stücke geschmettert, indem ich etwas wagte und lernte und an den Dicken dachte. Von dieser Nacht an würde mir alles Mögliche passieren können, aber ich würde nie wieder im
House of God
in Panik geraten. Das war ein faszinierender Gedanke, fast wie in den
Intern
-Romanen oder in Howards Schädel oder in den Briefen von meinem Vater, bis mir mit Schrecken einfiel, daß ich nicht etwa gelernt hatte, irgendeinen meiner Patienten zu retten. Weder Dr. Sanders noch Lazarus oder Jimmy oder Saul oder Anna O. Was mich so faszinierte, war: Ich hatte gelernt, mich selbst zu retten.
8
Wenn es nach Jos Lehrplan gegangen wäre, hätten auch bis Mitte September weder ich noch irgendeiner der anderen
Interns
gelernt, die eigene Haut zu retten. Am Morgen nach jener Nacht stieg die Wärme des zu Ende gehenden Sommers in die klare Luft hinauf und blies das helle Federwolken-Football-Wetter direkt auf die Station, mitten durch das Skelett des Zock-Flügels hindurch, das wie ein Gefängnisgitter vor unseren Fenstern immer höher und höher wuchs. An jenem Morgen also kam ich eine halbe Stunde zu spät zur Visite – und war der erste von uns
Interns.
Jo war wütend. Und als Chuck mit einer Stunde Verspätung hereinschlenderte, in den üblichen schmutzigen Hosen, dem üblichen offenen Hemd und ohne Krawatte, explodierte sie:
»Ich habe Ihnen doch gesagt, daß um 6 Uhr 30 Visite ist, Chuck. Verstanden?«
»Gut, gut.«
»Wo kommen Sie jetzt erst her?«
»Oh, hab meinen Wagen reparieren lassen.«
Die Visite war schon fast zu Ende, als der Kleine hereingestürmt kam. Sein Haar war zerzaust, sein Gürtel offen, sein Hemd hing ihm aus der Hose, das Stethoskop baumelte aus seiner Gesäßtasche, und er grinste breit über das ganze Gesicht. Er glühte förmlich.
»Sind Sie
Weitere Kostenlose Bücher