House of God
geheimzuhalten. Welche Verrenkungen mußte ich machen, um die Spuren zu verwischen, als Molly anfing, mich in meiner Wohnung zu besuchen. Ihr Haar auf dem Kissen, ihre Flecken auf dem Laken, ihre Haarnadeln auf dem Schreibtisch, ihr Ohrring auf dem Badezimmerbord, ihr Parfum in der Luft. Ich verbrachte sehr viel Zeit damit, Wäsche zu waschen. Ich fürchtete mich, wenn mein Telephon klingelte. Ich konnte es Berry nicht erzählen. Sie war mir zu wichtig. Ich schämte mich zu sehr. Ich hatte zu viel zu verlieren.
Berry und ich hatten vorgehabt, zusammen zu leben, aber als sich herausstellte, daß mein Nachtdienst mich in einen knurrenden Bären verwandelte, hielten wir es nicht mehr für eine so gute Idee. Wir beschlossen auch, uns in der Nacht nach einem Nachtdienst nicht zu sehen, weil wir dann nur herumzickten und zankten. Von drei Nächten blieb so nur noch eine, die Nacht, in der ich angeblich nicht erschöpft war. Wir sahen uns seltener, Molly sauste mir durch den
rectus abdominis
und den sackkribbelnden
cremaster,
Berry, die Psychotherapeutin, zielte auf die Psyche ab und ich auf den Körper, und so trieben wir langsam auseinander. Ich begann zu glauben, daß ihre Katze mich haßte.
Wir gaben uns alle Mühe, den Herbst zu genießen. Wir gingen zu einem Footballspiel, aber statt der hellen Fröhlichkeit, die ich von Footballspielen aus unserer Collegezeit kannte, wurde der Tag kalt und naß und düster und erfüllte uns beide mit Wintergrauen. Erschöpft, mehr oder weniger schweigend, die Haut zerschrammt von den scharfen Kanten unserer Liebe, schleppten wir uns in mein Apartment zurück, und Berry, die sich von einer Grippe benebelt fühlte, rollte sich mit ihrer Katze in meinem Bett zusammen. Sie schlief wie ein sicheres, warmes, fötales Knäuel. Ihre Katze schnurrte mit geschlossenen Augen. Berry schnarchte. Ich liebte sie so sehr, wollte sie so sehr vor der Grippe schützen und vor der Welt und vor meinem Zorn und vor meinen Schuldgefühlen, daß mich eine große Freude überkam. Aber noch während mich diese Freude erfüllte über alles, was gewesen war und was sein könnte, wurde sie schon von meiner Trauer über das, was mit uns geschehen war, zerfressen. Was war ich doch für ein Mistkerl.
Sie erwachte, wir redeten miteinander. Über die Gomers und darüber, wie wütend mich Jo machte und der Fisch und der Leggo und darüber, daß Berry mich möglicherweise nicht verstehen konnte.
»Weißt du, was dein Problem ist?« fragte sie.
»Was?«
»Du hast keine Vorbilder. Du kannst zu keinem von ihnen aufblicken.«
»Was ist mit dem Dicken?«
»Er ist krank.«
»Ist er nicht«, sagte ich und wurde ärgerlich. »Außerdem sind da Chuck und der Kleine und Hooper und Motorrad-Eddie. Und Potts.«
»Oh, sicher, da ist Kameradschaft, und du hast recht, der einzige Grund, warum Männer in den Krieg ziehen, ist, mit ihren Kumpels zu sterben. Aber mir scheint, was mit dir passiert, ist die totale Institutionalisierung des
Internship
à la Goffman.«
»Was hast du gesagt?« fragte ich so gleichmütig wie möglich und schluckte meine Wut über ihre hochnäsige Theorie zu meinem Leiden herunter.
Sie wiederholte es, merkte aber, daß ihre Worte nicht ankamen und sagte: »Schon gut.«
»Warum, schon gut?«
»Weil du es leichter nehmen könntest. Verdammt, Roy, du bist wie Beton. Du redest über nichts anderes mehr, als über das
Internship.
«
Ich fühlte mich von Worten überschwemmt und brüllte los wie der Kanalkehrer Ralph Cramden im Fernsehen:«
Gottverdammt, ich will nicht denken! Wenn ich das tue, denke ich an die abstoßenden Dinge, die ich jeden Tag tue, und das ist so schrecklich, daß ich mich am liebsten umbringen würde. Kapierst du das nicht?«
»Du meinst, es macht dich kaputt, wenn du über deine Gefühle sprichst?«
»Ja.«
»Das ist Spinnerei.«
»Was?«
»Spinnerei. Warum läßt du dir nicht helfen?«
»Helfen?«
»Therapie.«
Wir stritten. Vielleicht wußte sie, daß wir über das lange Sterben von Dr. Sanders stritten, über die Illusion in den Briefen meines Vaters und über meinen Zorn wegen nicht vorhandener Vorbilder und die in mir keimende Vorstellung, daß die Gomers nicht unsere Patienten waren, sondern unsere Gegner, und vor allem über meine Schuldgefühle, weil ich Molly in einem dunklen Winkel der Station stehen hatte, diese Molly, die wie ich nicht innehalten wollte, um zu denken und zu fühlen, weil sie, wenn sie rauslassen würde, was sie bei Klistierspritzen und
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