House of Night 7. Verbrannt
Und ganz unter uns, manchmal hab ich den Eindruck, Stark hat mehr Muskeln und zugegebenermaßen ganz hübsche Haare als Hirn. Das heißt, er braucht Hilfe. Um Zoeys willen würde ich ihm gern helfen. Also, Nyx, zeig mir bitte, wie.
Begib dich in meine Hände, Tochter.
Nyx’ Stimme wehte durch ihren Geist wie das Aufbauschen eines durchsichtigen Seidenvorhangs – ätherisch, zart und unvorstellbar schön.
Aphrodites Reaktion kam ohne nachzudenken.
Ja!
Und sie öffnete sich ihrer Göttin mit Herz, Geist und Seele.
Und plötzlich war sie die Brise, die an der zarten Kontur von Nyx’ Stimme entlangstrich, sich hob und in die Unendlichkeit segelte.
Sieh, mein Reich.
Aphrodites Geist schwebte über Nyx’ Anderwelt. Sie war unbeschreiblich schön, erfüllt von tausend Grünschattierungen, einer Unzahl leuchtend bunter Blumen, die sich wie zu einer unhörbaren Musik bewegten, und glitzernden Seen. Aphrodite glaubte, in der Ferne wilde Pferde und das vielfarbige Glänzen von Pfauen im Flug zu erkennen.
Und überall erhaschte man sekundenlang einen Blick auf Geister – lachende, tanzende oder liebende Seelen.
Aphrodite wurde von Ehrfurcht gepackt.
»Hierher kommen wir, wenn wir sterben?«
Manchmal.
»Wieso manchmal? Du meinst, wenn wir im Leben gut waren?«
Aphrodite sank das Herz. Wenn gut zu sein das entscheidende Kriterium dafür war, ob man hierhergelangte, würde sie das nie schaffen.
Die Göttin lachte, es hörte sich an wie Magie.
Ich bin deine Göttin, Tochter, nicht deine Richterin. Das Ideal des Guten hat viele Facetten. Sieh beispielsweise hierher; auch dies ist eine Facette des Guten.
Aphrodites Geistreise verlangsamte sich, und sie kam über einem idyllischen Wäldchen zum Halten. Erstaunt blinzelte sie, weil es sie an den Hain in der Nähe von Sgiachs Festung erinnerte. Sie sank sanft durch das dichte Blätterdach, bis sie knapp über dem dicken Moosteppich schwebte, der den ganzen Boden bedeckte.
»Hör mir zu, Zo! Du kriegst das hin.«
Beim Klang von Heath’ Stimme wirbelte Aphrodite herum. Da stand er, und da war Zoey, so bleich, dass sie beinahe durchsichtig wirkte. Auf ganz seltsame, getriebene Weise wanderte sie ununterbrochen im Kreis herum, während Heath sie mit abgrundtief trauriger Miene betrachtete.
»Zoey! Na endlich! Pass auf, hör mir zu. Du musst dich zusammenreißen und wieder in deinen Körper zurückfinden.«
Zoey ignorierte sie vollkommen. Ohne ihre Wanderung zu unterbrechen, brach sie in Tränen aus. »Ich kann nicht, Heath. Das hier hält schon zu lange an. Ich kann meine Seele nicht zusammensetzen. Ich kann mich nicht erinnern – ich kann mich nicht konzentrieren –, das Einzige, was ich sicher weiß, ist, dass ich das hier verdient hab.«
»
Oh Shit, ZOEY ! Hör auf zu heulen und hör mir zu!
«
»Du verdienst das nicht.« Heath stellte sich Zoey in den Weg, legte ihr die Hände auf die Schultern und zwang sie stillzustehen. »Und du
kannst
es, Zo. Du musst. Wenn du’s schaffst, können wir zusammen sein.«
»
Na großartig! Ich komm mir vor wie die verfluchten Geister der vergangenen, heutigen und sonstigen Scheiß-Weihnacht in Dickens’
Weihnachtsgeschichte
! Bei denen kommt ja kein Wort von dem an, was ich sage!
«
Dann, meine Tochter, solltest du zur Abwechslung vielleicht einmal zuhören.
Aphrodite unterdrückte einen frustrierten Seufzer und tat, wie die Göttin ihr geraten hatte, obwohl sie sich wie ein Spanner fühlte, der jemandem durchs Schlafzimmerfenster linste.
»Meinst du das ehrlich, Heath?« Einen Moment lang, während sie Heath anstarrte, wirkte Zoey etwas mehr wie sie selbst. »Du würdest echt hierbleiben?« Zögernd lächelte sie Heath an, aber ihr Körper wand sich unruhig unter seinen Händen.
Er küsste sie. »Baby, ich will da sein, wo du bist – für immer.«
Mit einem gequälten Stöhnen riss sich Zoey aus Heath’ Armen los. »Tut mir leid. Tut mir so leid.« Schluchzend nahm sie ihre Wanderung wieder auf. »Ich kann nicht stillstehen. Ich hab keine Ruhe.«
»Deshalb musst du deine Seele wieder zusammensuchen. Wenn du das nicht schaffst, können wir nicht zusammen sein. Zo, wenn du’s nicht schaffst, kannst du
überhaupt nichts
sein. Dann wanderst du nur immer weiter und weiter und verlierst noch mehr von dir, bis du ganz und gar verschwindest.«
»Ich bin schuld daran, dass du gestorben bist; ich bin schuld daran, dass du jetzt hier bist, wo du nicht sein solltest! Warum liebst du mich denn noch?« Fahrig strich sie
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