House of Night 7. Verbrannt
»Mit niemandem!«
»Also mit jemand höchst Unpassendem. Wer ist es, einer von den roten Loser-Jungvampyren?«
»Ich hab gesagt mit
niemandem
, Aphrodite.«
»Ja, schon klar. Pass auf, eines, was ich in meiner neuen Berufung als Prophetin, die, nebenbei gesagt, ziemlich ätzend ist, gelernt habe, ist, dass ich manchmal Dinge erahne, wenn ich nicht nur mit den Ohren lausche.«
»Also, ich erahn hier vor allem eines: Du hast ’nen totalen Sprung in der Schüssel.«
»Also nochmal: Sei vorsichtig. Ich spür an dir was Komisches, was mir sagt, dass du vielleicht Probleme kriegen könntest.«
»Ich glaub, du hast dir da gerade nur ’ne wilde Geschichte ausgedacht, damit keiner mitkriegt, dass du total gaga bist.«
»Und ich glaube, du verbirgst etwas vor mir. Also müssen wir uns wohl darauf einigen, dass wir uneins sind.«
»Ich geh jetzt mit den Blumen über die Kühe reden. Bye, Aphrodite.«
»Stiere. Bye, Landei.«
Noch mit finster gerunzelter Stirn öffnete Stevie Rae ihre Zimmertür und bekam fast Kramishas zum Klopfen erhobene Hand ins Gesicht. Beide fuhren zurück, dann schüttelte Kramisha den Kopf. »Mach keine so komische Sachen. Denk ich sonst, bist du nicht mehr normal.«
»Hey, wenn ich gewusst hätte, dass du da draußen stehst, wär ich nich so zusammengefahren, als ich die Tür aufgemacht hab. Und keiner von uns ist mehr wirklich normal.«
»Kannst du nicht für andere reden. Ich bin immer noch ich. Also, kommt mir nichts unnormal an mir vor. Aber geb ich zu, siehst du aus wie einziger Durcheinandersalat.«
»Ich bin vor zwei Tagen fast auf ’nem Dach verbrannt. Da hab ich doch wohl das Recht, ’n bisschen lädiert auszusehen.«
»Hab ich nicht gesagt, dass du schlecht aussiehst.« Kramisha legte den Kopf schief. Sie trug ihre knallgelbe Bob-Perücke, zu der sie gelben Leucht-Glitzer-Lidschatten aufgetragen hatte. »Siehst du eigentlich richtig gut aus, ganz rosa, wie sehen Weiße aus, wenn sie sind kerngesund. Hat was von süße Babyschweinchen.«
»Kramisha, kannst du mal auf den Punkt kommen? Gleich krieg ich Kopfweh.«
»Will nur sagen, siehst du gut aus, aber geht dir nicht gut. Da und da.« Kramisha deutete auf Stevie Raes Herzgegend und dann auf ihren Kopf.
»Ich hab viel zu denken«, wich Stevie Rae aus.
»Ja, weiß ich, Sache mit Zoey und so, aber musst du trotzdem dich selber auf die Reihe kriegen.«
»Ich versuch’s.«
»Versuch noch mehr. Zoey braucht dich. Klar, bist du nicht bei ihr, aber hab ich Gefühl, dass kannst du ihr helfen. Also musst du deine Verstand benutzen.«
Kramisha musterte sie noch immer so intensiv, dass Stevie Rae ganz zappelig wurde. »Wie gesagt, ich versuch’s.«
»Hast du wieder gestörte Aktion vor?«
»Nein!«
»Sicher? Weil, das hier ist für dich.« Kramisha hielt ein lila Notizbuchblatt hoch, auf dem in ihrer charakteristischen Schrift – halb Schreibschrift, halb Druckschrift – etwas stand. »Und hört sich an wie restlos gestört.«
Stevie Rae schnappte sich das Stück Papier. »Verflixt, warum sagst du mir nich gleich, dass du mir ’n Gedicht bringst?«
»War ich ja dabei.« Kramisha kreuzte die Arme und lehnte sich an den Türrahmen, offenbar wartete sie darauf, dass Stevie Rae das Gedicht las.
»Musst du nich irgendwohin?«
»Nee. Sind andere beim Essen. Oh, außer Dallas. Der ist mit Dragon bei Schwertkampf, obwohl noch nicht offiziell wieder Schule. Weiß nicht, warum hat so eilig mit Unterricht. Seh ich kein’ Grund für Eile. Egal, lies das Gedicht, Hohepriesterin. Ich geh nirgendwohin.«
Stevie Rae unterdrückte einen Seufzer. Kramishas Gedichte waren tendenziell konfus und abstrakt, aber meistens auch prophetisch, und allein beim Gedanken, dass eines von ihnen eigens von ihr handelte, bekam Stevie Rae ein Gefühl in der Magengrube, als hätte sie ein halbes Dutzend rohe Eier gegessen. Widerstrebend richtete sie die Augen auf das Blatt und begann zu lesen.
Die Rote tritt hinein ins Licht
gegürtet die Lenden
– auch sie – zum letzten Gefecht.
Finsternis hüllt sich in Schimären
blick hinter Form und Farbe
eh’ Gefühle dich verzehren.
Den Bund bezahle mit dem Herzen
doch trau ihm nicht, außer
du durchdrängest die Schwärze.
Sieh mit der Seele – das Auge ist blind
wer mit Bestien tanzt
muss durchschau’n, wer sie sind.
Stevie Rae schüttelte den Kopf, warf einen Blick auf Kramisha und las das Gedicht dann noch einmal, ganz langsam, wobei sie ihr Herz anflehte, nicht mehr so
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