Hudson River - die Kunst, schwere Entscheidungen zu treffen
nach, ob es draußen ist. Das ist alles, was jetzt zählt. Mist, dieses gottverdammte Zwanzig-Penny-Teil!«
»Mist, dieses gottverdammte Zwanzig-Penny-Teil!«
Der Flugingenieur quetschte sich von seinem Sitz hinter den Piloten durch einen engen Zugang in den Schacht unter dem Cockpit, um durch das in Bugnähe befindliche Guckloch nachzuschauen, ob das Bugrad ausgefahren war oder nicht. Noch im »Höllenloch« stehend sagte er zu Stockstill, er solle aufpassen, die Lämpchen nicht zu zerbrechen.
Auf den paar Quadratmetern Cockpitfläche fand ein regelrechter Tanz um die Kontrolllampe statt. Es muss ein ganz schönes Chaos gewesen sein! Einer der beiden Piloten ist wohl in dem Hin und Her so unglücklich an das Steuerhorn gestoßen, dass der Autopilot auf CWS-Modus (Control Wheel Steering Mode) gestellt wurde. In diesem Modus arbeitet der Autopilot zwar weiter, reagiert aber auch auf manuell eingegebene Befehle. Und der Befehl, den er versehentlich über einen Ellenbogen oder den Hintern eines der beiden Piloten bekam war: Sinkflug.
Die Piloten merkten nichts davon. Draußen war finstere Nacht. Repo kam wieder aus seinem Loch hervor und sagte: »Ich kann’s nicht sehen. Zu dunkel.«
Und weiter ging es mit dem Gewurstel mit den Lämpchen. Plötzlich rief Stockstill verwundert: »Wir haben irgendetwas mit der Höhe gemacht.«
Loft: »Was?«
Stockstill: »Wir sind immer noch auf 2000 Fuß, oder?«
Lofts Worte: »Hey – was passiert hier gerade?« waren seine letzten.
Mit ihm starben 101 der insgesamt 176 Passagiere. Die Maschine knallte in kontrolliertem Flug direkt in die Sümpfe der Everglades, 19 Meilen von der Landebahn entfernt.
Im Dutzend billiger
In der Fliegerei gibt es drei goldene Regeln:
1. First Fly the aircraft!
2. First Fly the aircraft!
3. First Fly the aircraft!
Das ist am wichtigsten. Erst dann kommt alles andere. Egal, ob ein Passagier gerade an einem Herzanfall stirbt, ob ein Triebwerk brennt oder gleich alle miteinander, ob der Druck in der Kabine abfällt oder Terroristen in der Kabine um sich schießen – die erste Aufgabe des Piloten ist: die Maschine zu fliegen. Wenn er das nicht tut, ist alles andere sowieso egal.
Es ist lebensnotwendig, zwischen den wichtigen und den unwichtigen Dingen zu unterscheiden.
Das klingt so simpel. Doch viele der Passagiere von Flug 401 haben im Winter 1972 den Fehler der Piloten mit dem Leben bezahlen müssen, die ausgeblendet hatten, was das Wichtigste war, nämlich das Flugzeug zu fliegen. Auch du wirst so einen Fehler mit deinem Leben bezahlen. Denn genau das passiert, wenn du dein Dasein mit den falschen Dingen vertändelst. Wenn du deine Zeit unwiederbringlich mit etwas vergeudest, das du genauso gut auch lassen könntest, und zu dem, was für dich wirklich von Bedeutung ist, gar nicht kommst.
Es ist also lebensnotwendig, zwischen den wichtigen und den weniger Dingen in deinem Leben zu unterscheiden. Nur wenn du beides voneinander trennen kannst, wirst du auch die richtigen Entscheidungen treffen können. Und zwar sowohl die kleinen, unscheinbaren – zum Beispiel, ob du am Wochenende in die Berge fährst oder die Küche neu streichst – als auch die großen – ob du dein mit einer schweren Behinderung zur Welt gekommenes Kind selbst pflegen willst oder nicht.
Prioritäten müssen natürlich nicht nur auf der privaten, sondern auch auf politischer und gesellschaftlicher Ebene gesetzt werden. Wasser sparen zum Beispiel. Das wollen wir alle, denn Wasser ist ja ein kostbares Gut, ohne das wir keine zwei Tage überleben würden. Mittlerweile sind die meisten von uns so konditioniert, dass es uns fast schon physisch schmerzt, wenn Wasser verschwendet wird. Was passiert aber, wenn wir zu viel Wasser sparen? Die Abflussrohre werden nicht ausreichend gespült und fangen an zu stinken. Wenn sie verstopfen, ist es teuer, den Schaden wieder zu beheben. Weil das Abwasser nicht mehr schnell zur Kläranlage fließt, sondern nur noch träge durch die Leitungen schwappt, korrodieren die Rohre und müssen öfter ausgewechselt werden. Es wird also noch teurer. Auch in den Rohren, die das frische Wasser zu uns bringen, tut sich etwas: Hier geht es genauso langsam voran wie beim Abwasser, sodass Schwermetalle in das Trinkwasser gelangen. Also: Was ist wichtiger? Wasser sparen in einem Land, in dem fünfmal so viel Wasser zur Verfügung steht, wie gebraucht wird? Oder Zu- und Abwasserrohrsysteme durch einen angemessenen Wasserverbrauch in Schuss
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