Hudson River - die Kunst, schwere Entscheidungen zu treffen
schlimmer noch: viel zu beliebig! So etwas ist eher ein Gedankenmatsch als ein Leitstern für die Zukunft.
Auf der Website der BASF heißt es: »Wir richten unser Handeln am Leitbild der nachhaltig zukunftsverträglichen Entwicklung, Sustainable Development, aus.« Außer dass die für diesen Schmu verantwortlichen Leute offensichtlich den englischen Begriff für nachhaltige Entwicklung kennen, können wir aus so einem Satz nicht viel lesen. Was bedeutet dieser Satz eigentlich? Selbst nach mehrmaligem Lesen bin ich mir immer noch nicht sicher. So, die wollen also eine zukunftsverträgliche Entwicklung. Wessen Zukunft? Und wie machen die das genau? Hauptsache nachhaltig!
Bei dem Energieriesen Eon ist gleich eine ganze Seite an Werten aufgelistet. Das geht von »Wir sind aufrichtig und ehrlich« bis zu »Wir nehmen unsere Verantwortung für künftige Generationen wahr«. Fünfzehn Sätze. Und nicht einer darunter, der nicht genauso gut im Eingangsbereich eines Krankenhauses in Köln-Nippes oder eines Kindergartens in Kaiserslautern ausgehängt sein könnte.
Egal ob Unternehmenskultur oder private Lebensplanung – wer auf austauschbare Visionen setzt, buddelt an der falschen Stelle nach seinem Glück. Solche Allerwelts-Visionen sind wie Karotten, die einem Esel vor die Nase gebunden werden. Entgegen der üblichen Auffassung funktionieren sie nicht. Ich bezweifle, dass der Esel länger als ein paar Schritte versucht, das baumelnde Ding zu schnappen. Das muss schon ein gewaltig dummer Esel sein, der da nicht denkt: »Ihr könnt mich mal!« Das Grün am Wegesrand ist für ihn viel interessanter.
Esel möchten was zwischen den Zähnen haben. Hier und jetzt. Dann laufen sie voran.
Menschen auch.
Ich möchte Visionen hier nicht generell schlechtmachen. Im Gegenteil. Das Leben hat mir einfach schon oft die Wahrheit des Konfuzius-Zitats vor Augen geführt: »Es gibt keinen günstigen Wind für den, der nicht weiß, wo er hinsegeln will.« Ohne Grundrichtung kommt keiner vom Fleck.
Allerdings wäre es von jeder Vision zu viel verlangt, dass sie dir Auskunft gibt, was du morgen um acht Uhr zu tun hast. Eine solche Erwartung wäre ein fataler Denkfehler! Der Einfluss eines Fernziels auf das, was du heute tust, wird gnadenlos überschätzt. Wenn dem nicht so wäre, dann hätten viel weniger Menschen Probleme mit ihrem Übergewicht.
Stell dir einen Menschen vor, der zwanzig Kilo abnehmen will. Dieser Vorsatz ist ja durchaus sinnvoll und ehrenwert. Aber die Frage ist doch, ob dieser Vorsatz ihm so wichtig ist, dass er die gemütlichen Samstagnachmittage daheim tatsächlich sausen lässt und sich in einem Sportverein anmeldet. Und ob er wirklich auf Pizza, Chips und das zweite Glas Wein verzichtet. Solange er das nicht tut, solange ihm die kurzfristige Befriedigung seiner Gelüste wichtiger ist als das verschwommene Bild einer fernen Zukunft, in der er rank und schlank durchs Leben geht, wird sich rein gar nichts tun. Nada. Niente. Die Waage zeigt 107 Kilo an und so wird es auch weiter bleiben. Tendenz steigend.
Es funktioniert also genau anders herum: Was dir jetzt, in diesem Moment, wichtig ist, bestimmt das, wo du in Zukunft sein wirst.
Was
du sein wirst. Oder haben wirst. Und mit wem.
Verschwende deshalb nicht deine Zeit darauf, dir bunte Zukunftsbildchen auszudenken. Es ist effektiver, wenn du herausfindest, was dir heute wichtig ist. H-E-U-T-E. Und das tust du dann auch.
Aber birgt das nicht eine große Gefahr? Das hört sich doch gewaltig nach Kurzfristdenken an. »Och, ich hab heute so gar keine Lust, aufzustehen!« Dann bleibst du eben liegen. Ist das etwa das, was der Brandl meint?
Kurskorrekturen
Ein paar Jungs, so vierzehn, fünfzehn Jahre alt, mit Hosen, die ihnen locker in den Knien hängen, und coolen Mützen, üben seit Stunden auf dem Platz mit ihren Skateboards Nosegrinds und Backside-Boardslides. Zwischendurch setzen sie sich auf den warmen Asphalt, reden ein bisschen, lachen. Einen von ihnen, Justin, kennst du vom Sehen. Du gehst hin und fragst ihn: »Hey, Justin, was ist für dich am allerwichtigsten auf der Welt?«
Und Justin antwortet dir grinsend: »Blöde Frage, Mann. Mit meinen Kumpels rumhängen.«
Mensch, der Typ ist in der achten oder neunten Klasse. Hat der denn keine Schulaufgaben? Nichts vorzubereiten für irgendeine Arbeit? In drei oder vier Jahren macht der doch bestimmt Abi. Und dem fällt nichts anderes ein, als hier rumzuhocken und den Tag ungenutzt verstreichen zu lassen?
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