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Hudson River - die Kunst, schwere Entscheidungen zu treffen

Hudson River - die Kunst, schwere Entscheidungen zu treffen

Titel: Hudson River - die Kunst, schwere Entscheidungen zu treffen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: GABAL Verlag
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Glückwunsch, Mr. Hartz IV! Toller Plan!
    So könntest du denken. Wirst du aber nicht. Denn Justin hat ja recht! Rumhängen mit seinen Kumpels
ist
das Wichtigste in seinem Leben, im Moment. Erst danach kommt sein kleiner Bruder, dann seine restliche Familie und irgendwo ziemlich weit hinten die Schule.
    Verbringe deine Zeit mit dem, was für dich wichtig ist. Hier und jetzt.
    Und wenn Skaten das Wichtigste für ihn ist, dann soll er, verdammt noch mal, einen guten Teil seiner Zeit genau damit verbringen. Jetzt kannst du natürlich einwenden: Mit Abhängen wird niemand Medizinprofessor. Sagt der Brandl etwa, Justin soll, bis er siebzig ist, auf Parkbänken rumhängen? Natürlich nicht! Denn unser Justin wird in ein, zwei Jahren wahrscheinlich ganz anders denken. Dann wird er vielleicht seinen Freunden sagen: »Hey Leute, heute kann ich nicht kommen, ich will für die Abi-Klausur was tun.« Oder er wird eine Freundin haben, die für ihn das Wichtigste auf der Welt ist.
    Wichtiges und Unwichtiges – die Unterscheidung ist niemals absolut, niemals grundsätzlich. Sondern es kommt auf den Moment an, in dem die Frage gestellt wird. Für das, was einem am wichtigsten im Leben ist, gilt: Jetzt und hier ist es so. Und in einiger Zeit kann es schon wieder ein bisschen anders aussehen. Ich selbst habe das auf die harte Tour lernen müssen.
    Ich sitze in einer Hotelsuite. Es könnte Berlin sein oder Stuttgart oder Düsseldorf – egal, es sieht genauso aus wie in Iserlohn oder Castrop-Rauxel. Ich sitze an dem viel zu kleinen Schreibtisch und lege letzte Hand an die Unterlagen für das morgige Seminar. Gehe die Präsentation schnell noch einmal durch, baue hier und da ein paar Umstellungen ein, ein paar Extras für den speziellen Kunden. Dafür muss ich noch nicht einmal richtig nachdenken. Im Hintergrund dudelt auf Flachbildschirm der Musikkanal vor sich hin.
    Ich arbeitete damals mit ein paar Partnern zusammen. Unser Backoffice machte die Termine, ich musste nur noch im Kalender ablesen, wann ich wo zu sein hatte. Toll! Ich war wie eine Maschine. Ich bin damals nur von einer Stadt in die nächste gehetzt. Feierabend? Gerödelt. Wochenende? Gerödelt. Urlaub? Gerödelt. Ich kam mir vor wie ein Goldfisch im Aquarium. Immer die gleiche 40-Zentimeter-Runde gedreht. Futterflöckchen waren genug da – ich verdiente eine Menge Geld. Meine Bekannten sprachen mit Neid über meinen Erfolg. Bei mir aber kam von diesem Gefühl nichts an. Welcher Erfolg? Ich war wie blind und taub.
    Heute weiß ich, dass ich damals kurz vor einem Burn-out stand. Ganz nahe dran an einer Depression war. Wenn mich aber damals einer gefragt hätte, hätte ich geantwortet: »Ist doch geil!«
    Ich sitze also an diesem Schreibtisch und denke zum ersten Mal wirklich nach: »Was habe ich eigentlich davon, mein Leben ohne Pause in fremden Städten abzufackeln?« Und weil das Universum es oft so richtig fies einrichtet, lief genau in diesem Moment im Fernsehen das Lied »Großvater« von STS.
    »Großvater, kannst du net owakommen auf an schnell’n Kaffee?
    Großvater, i möcht dir so viel sag’n, was i erst jetzt versteh’
.
    Großvater, du warst mein erster Freund und das vergess i nie
,
    Großvater.«
    Ich war fertig.
    »Du warst kein Übermensch, hast auch nie so ’tan, grad deswegen war da irgendwie a Kraft …«
    Am nächsten Morgen war die Minibar leer.
    In diesem Moment wurde mir klar: So wie es ist, ist es Asche.
    In diesem Hotelzimmer ist mir klar geworden: So wie es ist, ist es Asche. Dabei hatte ich das alles ja irgendwann einmal genau so gewollt! Dass ich mich mit Partnern zusammengetan hatte, war eine gute Idee gewesen, so konnten wir noch effizienter arbeiten. Ich war auch gerne und mit vollem Bewusstsein auf der Überholspur vorangeprescht. Aber irgendwann hatte ich den Punkt verpasst, an dem all das gar nicht mehr zu mir passte. Längst wollte und konnte ich nicht mehr auf Zeit für mich verzichten. Ich wollte wieder selbstbestimmter leben. Für meinen Terminplan selbst verantwortlich sein. Ich zog die Notbremse: Ein paar Tage nach meinem Breakdown in dem Hotelzimmer habe ich mich von meinen Partnern getrennt.
    Wenn ich ein bisschen früher darüber nachgedacht hätte, was für mich aktuell wichtig ist, dann hätte ich mir eine Menge Schmerzen ersparen können. Dann hätte ich nicht so harte Schnitte machen müssen, sondern hätte eine weichere Kurve fliegen können.
    Du musst also nicht nur herausfinden, was in deinem Leben wichtig ist. Du

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