Huebsch in alle Ewigkeit Roman
natürlich auch mitnehmen, aber Ede hier ist ein bisschen starrsinnig und sagt, dass nur Vampire mitdürfen.«
»Dann beiß mich halt! Ich will auch ein Vampir sein«, heulte ich.
»Wie stellst du dir das vor? Ich kann dich doch nicht einfach beißen«, protestierte sie.
»Hast du keinen Durst auf Blut?«, schluchzte ich.
»Doch. Irgendwie schon. Ist das nicht merkwürdig?«
»Hallo? Du hast vorhin Kalte Muschi getrunken? Das nenne ich merkwürdig.«
»Stimmt. Und dass irgendwas fieser schmeckt als Cola mit Rotwein, kann ich mir auch gar nicht vorstellen.«
»Und ich hab meinen Ekeldrink nicht ausgetrunken und muss die nächste Runde geben, so geht Einmal und nie wieder nun mal. Also los! Worauf wartest du noch?«
Ich zog meinen Schal aus und hielt ihr meinen Hals entgegen.
Vivian starrte auf meine Halsschlagader mit einem Gesichtsausdruck, wie ich ihn noch nie zuvor an ihr gesehen hatte. Ihr lief das Wasser im Mund zusammen, und ihre Eckzähne wurden noch länger.
»Warte kurz.« Sie stieg noch mal ins Auto.
Ich hörte gedämpft, wie sie sich mit Ede stritt. In meinem Kopf drehte sich alles, und ich kniff mich in den Arm, um zu sehen, ob ich nicht doch träumte. War meine beste Freundin Vivi eben ein Vampir geworden? Und hatte ich sie tatsächlich gebeten, mich auch zu einem Vampir zu machen? Und war das nicht die saudoofste Idee, seit ich mir eingeredet hatte, Bankkauffrau sei der richtige Beruf für mich? Ich betrachtete die dunkle Fensterscheibe des Jaguars, aus der Gesprächsfetzen herausdrangen. Ich war komplett durcheinander. Vivi will alles stehen und liegen lassen und mit diesem komischen Kauz mitgehen?
Plötzlich fiel mir meine Mutter ein, die morgen früh nach mir schauen würde. Na ja, wahrscheinlich erst gegen Mittag, wenn sie ihren Rausch ausgeschlafen hätte. Aber dann würde sie nur mein leeres Zimmer mit den Madonna- und Kylie-Minogue-Postern vorfinden und die Pet-Shop-Boys-Platte, die ich mir erst gestern gekauft hatte. Und dann würde sie sich Sorgen machen. Na ja. Vielleicht. Jedenfalls würde sie nichts Vernünftiges essen, sondern direkt Weinbrand frühstücken.
Was mache ich denn jetzt? Vivian war immer noch in dem Auto. Noch hätte ich die Möglichkeit abzuhauen.
Aber dann wurde mir klar, dass ich Vivian heute auf keinen Fall ein zweites Mal alleine lassen würde.
»Mach ich wohl!«, rief Vivian beim Aussteigen. Dann sagte sie zu mir: »Wenn ich dich beiße, darfst du deine Freunde niemals wiedersehen!«
»Welche Freunde? Du bist meine Freunde!«
»Und deine Familie auch nicht.«
Ich schluckte, dann sagte ich mit fester Stimme: »Falls du damit die Schnapsdrossel meinst, die sich meine Mutter nennt … Die würde eine Flasche Doppelkorn eher vermissen als mich.« Ich presste die Lippen zusammen und verdrängte jeden weiteren Gedanken an sie.
»Was ist mit deinem Job? Wird er dir nicht fehlen?«
Ich guckte sie nur tadelnd an.
»Hey, Ede hat gesagt, ich muss dich das fragen.«
»Du weißt genau, dass ich meinen Chef hasse, diesen ekligen Grapscher.« Seit dem ersten Tag meiner Ausbildung tatschte er mich bei jeder sich bietenden Gelegenheit an. Und erst am Donnerstag hatte er mich wieder gefragt, was mein schöner Mund denn so alles könne. Igitt! Ich wusste einfach nicht, was ich dagegen machen konnte, schließlich war er mein Chef.
»Gebongt. Also, komm her, hübsches Kind«, zitierte sie Kurgan aus Highlander , nahm mich in den Arm wie in den alten Hollywoodfilmen und bleckte die Zähne.
»Moment noch«, sagte ich.
»Was?«
»Du trinkst auch ja alles? Nicht dass du irgendwann keinen Durst mehr hast und mich hier halbleer liegen lässt?«
»Keine Sorge, Baby, nach einer langen Partynacht habe ich immer tierischen Nachdurst.« Sie grinste diabolisch, und die Zähne blitzten.
»Moment noch«, sagte ich wieder und wollte gerade fragen, ob es eigentlich wehgetan hatte, da biss sie zu, und es fühlte sich an, als würde mich jemand am Hals kitzeln. Mir wurde ganz warm, und ich dachte: Vivi, ich liebe dich. Dann spürte ich, wie meine Lebensenergie aus mir herausfloss, mir wurde schwarz vor Augen, und am Ende des Tunnels sah ich ein rotes Licht.
Hamburger Abendblatt, 21. Februar 1989
Vermisste Hamburgerinnen tot
Die seit dem 14. Januar vermissten Frauen, Vivian Schlevogt (20 J.) und Helene Burmanns (20J.), sind offensichtlich tot. Die Polizei fand in der Nähe von Kiel die völlig verkohlten Überreste zweier Leichen, die nur noch anhand von Kleidungsstücken und
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