Huebsch in alle Ewigkeit Roman
bis mich auf einmal jemand am Fuß festhielt. Ich schaute nach unten und erkannte, dass ich in einem Ablaufgitter stecken geblieben war! »Verdammt! Mein schöner neuer Schuh!«
Vivian beugte sich runter, um mir beim Rausziehen zu helfen, aber der Absatz hing fest wie angeschraubt.
Eduard warf einen prüfenden Blick auf den heller werdenden Morgen. »Es wäre angebracht, in dieser Situation ein kleines Opfer zu bringen«, schlug er vor.
»Ich lasse meine Freundin nicht im Stich«, schrie Vivian.
In Eduards Gesicht erschien ein gequälter Ausdruck. »Nun, davon kann auch keine Rede sein. Ich dachte eher daran, dass Fräulein Leni den Schuh auszieht.«
»Äh. Ach so.«
»Aber die sind neu!«, jammerte ich und zerrte weiter.
»Du hast dich eben in einer Sekunde entschieden, deine Mutter, deinen Job und dein gesamtes Leben hinter dir zu lassen, aber wegen eines Schuhs stellst du dich an?«, fragte Vivian.
»Aber das sind echte Designerschuhe! So welche habe ich noch nie gehabt!«
»Von welchem Designer sind die denn?«
»Weiß ich jetzt nicht mehr«, sagte ich ärgerlich. »Aber sie waren vorher total teuer gewesen, und ich hab ein super Schnäppchen gemacht!«
Eduard räusperte sich. »Wenn die Damen sich jetzt entscheiden könnten mitzukommen, wäre das äußerst erbaulich. Wir haben noch exakt sechs Minuten bis Sonnenaufgang. Und ich erinnere nur ungern an die Folgen des Zusammentreffens von Tageslicht und Vampiren.«
Vivian wurde hektisch. »Los, Leni!« Sie zog entschlossen meinen Fuß aus dem Schuh. »Sonst passen wir drei gleich alle zusammen in eine Schuhschachtel!«
Im Weggehen warf ich einen letzten Blick auf den zurückgelassenen gelben Pumps und fühlte mich für einen kurzen Moment wehmütig, ließ mich dann aber von Vivian weiterziehen und humpelte in mein neues Vampirleben hinein.
Wir bogen in die Toreinfahrt einer stillgelegten Fabrik. Da stand am Rande des Parkplatzes ein leicht verbeulter weißer VW-Lieferwagen ohne Fenster, wie ihn Mechaniker und andere Handwerker fuhren. Ede strebte mit schnellen Schritten darauf zu.
»Das soll unser Tagesdomizil sein?«, flüsterte ich Vivian enttäuscht zu. Irgendwie hatte ich wegen des Jaguars und Eduards schicker Kleidung etwas Glamouröseres erwartet.
»Da muss Aschenputtel wohl noch etwas warten, bis es in das Märchenschloss einzieht«, sagte Vivian.
Wir hüpften hinten in den mit schwarzem Stoff ausgekleideten Wagen und setzten uns auf eine Bank. Eduard
knallte die Tür zu und verriegelte sie. Das kleine Fenster zur Fahrerkabine war verhangen, so dass es erst einmal stockdunkel war. Aber meine Augen gewöhnten sich ungewöhnlich schnell an die Dunkelheit. Schon wenige Sekunden später konnte ich alles sehr genau erkennen. Eduard stand gebeugt neben der anderen Bank.
»Nun, da ich nicht mit einem zweiten Gast rechnen konnte«, er warf einen genervten Blick auf Vivian, »müssen wir jetzt improvisieren. Die Damen können dann diese beiden Schlafstätten nehmen.« Er klappte die Bank auf, die sich tatsächlich als Sarg entpuppte.
Vivian und ich stießen uns gegenseitig an. »Abgefahren«, sagte ich.
»Und wo schläfst du?«, fragte Vivian.
Eduard zeigte tapfer auf den nackten Boden zwischen den Särgen.
»Kommt nicht infrage. Ich nehme die Besucherritze«, sagte Vivian.
»Das kann ich nicht zulas…«, fing Eduard an, aber Vivian unterbrach ihn.
»Papperlapapp. Keine Widerrede. Wegen mir sind wir alle drei hier, also bitte …«
»Nun, das stimmt allerdings«, sagte er pikiert, aber auch erleichtert. »Bitte, Vivi, ich ersuche dich, wenigstens nicht auf diese Annehmlichkeit zu verzichten.« Er reichte ihr einen schwarzen kuscheligen Sack mit Reißverschluss.
»Ist das wenigstens ein Mumienschlafsack?«, kicherte sie und schlüpfte hinein. Kurz darauf lagen wir alle. »Und was ist, wenn ich aufs Klo muss?«, fragte ich.
»Nun, wertes Fräulein Leni, du wirst sehen, dass diese Art Probleme der Vergangenheit angehören«, antwortete Eduard.
Das brachte mich auf eine andere Frage: »Jetzt wo Vivi mein Blut hat, was läuft da eigentlich durch meine Adern?«
»Vielleicht blaue Ersatzflüssigkeit?«, schlug Vivian vor, und wir prusteten los.
Dann war sie plötzlich wieder still, und ich war mir sicher, dass sie das Gleiche dachte wie ich: Bekommen Vampiras eigentlich ihre Tage? Aber das würde ich bestimmt bald rauskriegen. Jetzt wollte ich nur noch schlafen. Eine Müdigkeit übermannte mich, wie ich sie noch nie erlebt hatte, und eine
Weitere Kostenlose Bücher