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Huebsch in alle Ewigkeit Roman

Titel: Huebsch in alle Ewigkeit Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emma Flint
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entweder zum Gemeinschaftsdienst oder er wurde - schluck! - hingerichtet, wenn er diesen aus welchen Gründen auch immer nicht leisten konnte. Als Ede das Wort Todesstrafe zum ersten Mal aussprach, dachte ich, er scherzt.
    Im Reich der Untoten gibt es eine Todesstrafe? Das ist ja nun mal merkwürdig.
    Aber wir waren zwanzig, und da ließ man sich eben nicht so leicht ins Bockshorn jagen. Außerdem erfuhren wir, dass Vampire mit der Zeit auch übernatürliche Kräfte entwickeln können. »Was denn zum Beispiel?«, fragte ich.
    »Nun, die Sinne haben sich ja schon geschärft, so dass ihr auch in der Dunkelheit gut sehen könnt. Ein besseres Gehör kommt bald dazu. Es gibt Vampire, die über sehr große Körperkraft verfügen, sich in Fledermäuse verwandeln
oder die Wände hochgehen können. Manche sind auch in der Lage Gedanken zu lesen. Niemand weiß, welche Gabe man selber bekommt und wann es so weit ist.«
    »Was kannst du denn Besonderes?«, fragte Vivian.
    »Ähem …«, druckste Ede. »Es kann auch sein, dass ihr niemals übernatürliche Kräfte erlangt. Oder dass sie erst in hundertfünfzig Jahren auftreten.«
     
    Gut Strigoi wurde also unser neues Zuhause. Wir hatten Unterricht bei Ede und freuten uns aber immer schon auf den Feierabend, wenn wir ab vier Uhr morgens mit Elli am Kaminfeuer saßen (ein rein dekoratives Element, denn kalt war keinem von uns!) und bei Martinis (ebenfalls nur Deko!) über alte Zeiten plauderten. Während Ede in seiner Bibliothek weilte, um irgendwelche langweiligen Astrologiebücher zu studieren und seine Operetten zu hören, erzählte uns Elli aus ihrem bewegten Menschenleben, das in einer lauen Sommernacht 1931 ein Ende gefunden hatte. Ihre Vampirpatin war eine Revuetänzerin gewesen, die aber später ihres ewigen Lebens überdrüssig wurde und sich selbiges nahm, indem sie sich dem Sonnenlicht aussetzte. Die Schatten unter Ellis Augen wurden noch tiefer und fast sah es so aus, als ob sie anfangen würde zu weinen.
    »Hast du sie geliebt?«, fragte Vivian leise.
    »Sie war eine wunderbare Frau und eine begnadete Tänzerin«, sagte Elli. »Und ja, ich habe sie geliebt.«
    Sie rührte gedankenverloren mit dem Olivenzahnstocher in ihrem Martini und stellte ihn wieder weg. Dann begann sie zu erzählen. Wie sie der Enge ihres Heimatdorfes
und der sterbenslangweiligen Ehe mit ihrem Mann entflohen war und sich in das ausschweifende Nachtleben Berlins gestürzt hatte. Sie berichtete von anregenden Künstlertreffs, Varietés und Nachtclubs, in denen sie Gast war, und wie sie sich verliebt hatten, die Tänzerin und sie, 1920. Anfangs wusste Elli nicht, dass sie ein Vampir war. Doch irgendwann weihte die Tänzerin sie in ihr Geheimnis ein. Elli bettelte darum, auch ein Vampir werden zu dürfen, doch die Tänzerin weigerte sich. Vampire könnten sich nicht lieben, sagte sie immer. Doch mit jedem Jahr wurde sie trauriger.
    »Was ist mit dir los, kleine Tänzerin?«, hatte Elli gefragt. Die Tänzerin hatte sie mit ihren großen jadegrünen Augen angeschaut, ihr über die zarten Falten in ihrem Gesicht gestrichen und sich dann abgewandt.
    »Sie konnte nicht verkraften, dass ich alterte, dass ich sterblich war«, sagte Elli. »Sie sagte, sie hielte die Angst um mich nicht mehr aus. Sie wollte mich verlassen. Doch ohne sie wollte ich nicht leben, und so überzeugte ich sie, dass sie mich beißen müsse. Die Nacht, in der ich zum Vampir wurde, werde ich nie vergessen. Es war eine wunderschöne laue Sommernacht. Wir fuhren mit den Rädern zum Wannsee. Meine Tänzerin sah mir zu, wie ich badete. Wir öffneten eine Flasche Champagner und küssten uns. Und dann …« Ellis Stimme versagte. Sie betastete mit ihren schmalen Fingern die Perlenkette mit dem goldenen Muschelanhänger, die sie immer trug, und die weißen Perlen schimmerten im Feuer des Kamins wie Tränen. Nach einer Weile sagte sie leise: »Doch wenn das Herz aufhört zu schlagen und man dennoch lebt, stirbt die Liebe.«

    Wir schauten in das prasselnde Kaminfeuer und lauschten dem gemächlichen Ticken der Wanduhr, die das Verstreichen einer Zeit anzeigte, die für uns eine andere Bedeutung bekommen hatte. Ich wurde unruhig. »Ist das wahr, Elli? Können Vampire nicht lieben?«
    »Das Liebesleben der Vampire ist komplizierter als das von Sterblichen«, antwortete sie ausweichend.
    Na ja, wollte ich einwerfen, als Mädchen hat man es auch nicht gerade leicht. Aber das Thema war zu ernst, um Witze darüber zu machen.
    »Vampire können

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