Huebsch in alle Ewigkeit Roman
Eduard begrüßte sie mit Wangenküsschen.
»Oh, Eduard, da hast du uns ja gleich zwei hübsche Neuzugänge verschafft«, rief sie. »Das ist ja wunderbar. Kommt rein, kommt rein, ich freue mich!«
Ihre Augen hatten die Farbe von Gewitterwolken, ließen jedoch alles Bedrohliche vermissen, vielmehr sprühten sie vor Energie und Humor. Unglaublich, dass sie 1880 geboren wurde, wie wir später erfuhren. Ihre kurzen Haare und ihre lebhafte Art wirkten mädchenhaft und modern. Freilich hatte auch sie ziemliche Schatten unter den Augen, und ihre fahle Gesichtshaut erinnerte an eingetrocknete Niveacreme.
»Ich bin Eleonore, nennt mich Elli«, stellte sie sich vor. Ein Diener in dunkelroter Livree erschien, ein glatzköpfiger Riese namens Ignaz. »Mein Lieber«, sagte Elli, »sei so gut und bereite das zweite Gästezimmer vor. Gepäck habt ihr ja vermutlich nicht?« Sie hakte uns links und rechts unter. »Umso leichter reist es sich, nicht wahr?« Sie führte uns die Treppe hinauf und zeigte uns unsere Zimmer. »Ihr werdet euch sicher wundern, warum es kein Badezimmer gibt.«
»Äh, ja«, sagte ich.
»Vampire mögen kein Wasser. Wasser lassen müssen sie auch nicht. Also brauchen wir keine Badezimmer!«, erklärte Elli. »Aber dort auf der Spiegelkommode gibt es alles, was die Vampirin von heute so braucht, um sich frischzumachen.« Sie ließ uns allein.
»Ist das cool!«, rief ich und ließ mich in das kuschelig weiche Himmelbett fallen. »Zum Glück haben die hier keine Särge.«
Vivian kam herein. Ihr Zimmer lag direkt nebenan und war durch eine Verbindungstür zu erreichen.
»Ganz schön viel altes Zeug«, sagte sie und zeigte auf die Biedermeierkommode, über der ein Ölgemälde von einem feisten Jäger und seinem Rudel Bluthunde hing. Sie warf sich neben mich aufs Bett.
»Aber es gibt einen Fernseher!«, warf ich ein. »Die nächste Folge Denver Clan darf ich nicht verpassen.«
»Ich wüsste lieber, wo die Minibar ist«, scherzte Vivian. Aber es stellte sich heraus, dass wir auf die liebgewonnene Angewohnheit, richtig einen zu heben, fortan würden verzichten müssen.
»Alkohol wirkt bei Vampiren nicht, leider«, erklärte uns Elli noch am selben Abend. »Und Durst hat man ja nun auch nicht. Außer auf diesen speziellen Lebenssaft.«
Da Ede Vivis Vampirpate war, musste er nicht nur für ihr unauffälliges Verschwinden aus dem Menschenleben sorgen, sondern auch dafür, dass sie alles über Vampire und die Vampirrepublik Deutschland erfuhr. Und da Vivi meine Vampirpatin war, musste ich den ganzen Mist mitmachen. Das war furchtbar öde, schließlich hatte ich die Schule schon immer gehasst, und Ede war nicht gerade das, was man einen mitreißenden Lehrer nennen konnte. Mit dem Temperament einer Schlaftablette erörterte er Politik, Literatur und Geschichte der Vampire, und ich hätte normalerweise sicher, so wie früher in Englisch und Physik, mit zufallenden Augenlidern zu kämpfen gehabt, aber ich stellte fest, dass ich entweder total wach war (nachts) oder komatös schlief (tags). Da konnte Ede noch so ausschweifend von den Pflichten der Bürger in der Vampirrepublik Deutschland schwadronieren, ich musste noch nicht einmal gähnen. Ich wurde einfach nicht müde! Gelangweilt natürlich schon. Und zwar ohne Ende. Aber da hatten Vivian und ich natürlich unsere Mittelchen, den Unterricht etwas aufzupeppen. Wir schrieben uns wie früher kleine Briefchen und machten Witze über die ganzen behämmerten Namen der Minister. Unser Finanzminister hieß zum Beispiel (auweia!) Blasius Hutzenstein, der Boss der Vampirpolizei (haha, Ute Schnute) Kasimir Ture und der Verwaltungschef Ludwig Kowarsch. Noch Fragen? Das war ja nun mal
total klar, dass wir ihn Kloarsch tauften und uns kaputtlachten. Ede versuchte, die Nerven zu bewahren, was ihm immer schlechter gelang. Er wurde mit der Zeit richtig zänkisch. Auch wenn wir überhaupt nichts gemacht hatten! Elli meinte, so sei er immer schon gewesen, ihr Sohn, ein richtiger kleiner Spießer, genau wie sein Vater. Das waren ihre Worte!
Obwohl wir nicht gerade aufmerksam waren, stellte ich mit Erstaunen fest, dass ich mir alles merken konnte. Ob der dröge Ede den Staatsapparat oder die Historie der Vampire und ihrer blutarmen Verwandtschaft referierte, all dies unnütze Zeug blieb in meinem Hirn haften. Wir lernten, dass die Republik nicht gerade ein Sozialstaat war, denn jeder Bürger hatte eine monatliche Steuer zu entrichten, und wer nicht zahlen konnte, der musste
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