Huebsch in alle Ewigkeit Roman
also.«
Als wir in der nächsten Nacht zur Arbeit gehen, bin ich sehr nervös. Mit zittrigen Händen schiebe ich die Urkunden in den Scanner und warte irgendwie darauf, dass die Sirenen anspringen und Vivian unter großem Tumult abgeführt wird oder so. Aber alles bleibt ruhig. Und als ich Vivian nach Feierabend am Ausgang treffe, ist sie gut drauf. Sie hat eine Akte für den Rekrutierungsfall angelegt, ein Eilformular für Lulu angelegt, Tures Unterschrift gefälscht und alles der Vapo Köln übergeben.
»War kein Problem«, sagt sie. »Übrigens …« Sie kichert.
»Lulu heißt in Wirklichkeit Otto Birnbach und wurde 1793 als Sohn eines Bauern geboren.«
»Nein!«, rufe ich begeistert. Endlich wissen wir es! Wir sind in Hochstimmung, als wir nach Hause kommen. Mein Torero hat mir wieder was auf meine Zeitung geschrieben. Er ist begeistert von dem Bild gewesen und fragt, ob wir uns nicht endlich mal außerhalb dieses Hausflurs treffen sollen. (Ja ja ja!!!)
Doch als wir unseren Anrufbeantworter abhören, ist es vorbei mit der guten Laune. Ede hat angerufen. Seine Mutter ist tot - ermordet vom unheimlichen Vampirkiller.
Und in der nächsten Nacht fällt die Sache mit dem gefälschten Dokument doch auf. Ich weiß es in dem Moment, in dem Vivian nicht kommt. Wir sind wie immer in der Mitternachtspause verabredet, mangels Alternative (alle guten Kneipen sind für die kurze Pause leider zu weit weg) in der Vampirkantine. Und die ist wirklich fürchterlich! Ich bin schon zu Banklehrezeiten nicht gerne in die Kantine gegangen, weil es mir da zu ungemütlich war, zu zugig und zu hässlich, und ich vor allem die ganzen Hackfressen meiner Kollegen nicht auch noch in der Pause ertragen wollte. Aber die Kantine der Vampirverwaltung ist wirklich die Hölle! Rotzgelbes Resopal an den Wänden (Fenster gibt es natürlich nicht) und ein graubeiger Teppichboden, der vom jahrzehntelangen Schlurfen auf den immer selben Wegen an manchen Stellen bis auf einen dunklen Kunststoffrest abgewetzt ist. Keine einzige Plastikpalme, keine hellen Lampen, die Belegschaft ein Haufen fahler Gestalten ohne Regung, der sich über die Unterbrechung seiner stumpfen Tätigkeit keine Sekunde zu freuen scheint. Die einzigen Farbtupfer in dieser Umgebung sind die grottenhässlichen lila-gelb-blauen Stühle, die einem in den Augen wehtun und die auch noch total unbequem sind. Hier würde ich
gerne mal einen Unternehmensberater reinschicken. Der würde angesichts dieses 1950er-Gestaltungsdesasters die Hände über dem Kopf zusammenschlagen und dem blöden Kowarsch (der als oberster Verwaltungschef auch hierfür verantwortlich ist) verklickern, dass ein bisschen grünes Kunststoffgestrüpp und etwas künstliches Licht auch seine Mitarbeiter - untot hin oder her - motivieren könnten. Der einzige Vorteil ist, dass hier nicht gekocht wird und weder Frittierfettwolken noch der Gestank von zerkochtem Blumenkohl die Luft verpesten. Es gibt zwar eine lange Selbstbedienungstheke, an der man sich anstellen muss, aber statt dem üblichen Kantinenfraß wie paniertes Pressfleisch in klumpiger Geschmacksverstärkersoße gibt es hier bloß eine Zapfanlage, die verschiedene Blutsorten sprudeln lässt. Schwein und Ratte als Standard und ein wöchentlich wechselndes Wahlmenü.
»Heute gibt es Hirsch, ganz was Feines«, näselt meine Kollegin Gertrud, die im Büro neben mir sitzt und mich wahnsinnig nervt, weil sie unablässig vor sich hin murmelt und jeden Arbeitsschritt kommentiert. (»Scanner aufklappen, einschieben, Qualitätsstufe ist automatisch eingestellt, ja, bitte scaaaaanneeeen « - das Wort zieht sie so lange, bis das Gerät mit Einlesen fertig ist -, »jetzt noch abspeichern, fertig und das nächste.«) Ansonsten hat sie überhaupt nichts, was sie erzählen könnte, weil sie außer Arbeiten und Schlafen nichts tut. Sie hat noch nicht mal Satellitenfernsehen! Sie wohnt in einem dieser Schlafsilos, wo hundert Vampire zusammenhausen und jeder nur eine sarggroße Koje hat. Horror! Die Plattenbauten der Unterwelt, sagen Vivi und ich dazu.
Da Vivian noch nicht da ist, setze ich mich notgedrungen neben Gertrud, und während sie eine Live-Reportage über das Trinken ihres Hirschbluts abliefert (»Ich nehme das Glas und trinke. Mmh, lecker. Jetzt stelle ich es wieder ab.«), kriege ich es auf einmal mit der Angst. Denn mir wird klar: Wer hier arbeitet, der bekommt unausweichlich einen an der Klatsche. Es ist nur eine Frage der Zeit (und ich habe viel Zeit!), bis
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