Huebsch in alle Ewigkeit Roman
Vampirpate ist also meistens der einzige Blutsverwandte (haha!), aber wie im echten Leben findet man seine engsten Angehörigen ja nicht immer klasse. Vor allem dann nicht, wenn derjenige einen getötet hat. Und da sich das republikanische Erbschaftsgesetz auch nicht mit so einem Klimbim wie Pflichterbe aufhält, kann der Vampir seinen gesamten Besitz hinterlassen, wem er will. Und da gibt es welche, die schenken ihr Geld dem örtlichen Zeckenzüchterverein oder der Nosferatu-Gesellschaft zur Wahrung des Schreckens von Vampiren. (Es gibt nicht wenige Bürger, die meinen, durch den ganzen Medienhype um Vampire
sei es unter den Menschen zu einer sträflichen Verniedlichung des Blutsaugers gekommen. Sie plädieren für eine Rückbesinnung auf Angst und Schrecken. Die meisten Vampire aber, inklusive Vivian und mir, haben überhaupt keinen Bock auf die alte Gruselnummer und wollen nur ihren Spaß.) Also, mal sehen, wen der arme Heribert mit seinem Vermögen beglückt.
»Forschungsinstitut Vampire Sun Moon Science «, sage ich zu Vivian auf dem Nachhauseweg. »Hast du davon schon mal gehört?«
Vivian schüttelt den Kopf. »Aber vielleicht findest du bei Vampipedia was darüber.«
»Gute Idee.« Doch bevor ich mich zu Hause an den Computer setze, schaue ich natürlich, ob mein kleiner Torero mir wieder eine Nachricht auf die Zeitung geschrieben hat. Wir kommunizieren jetzt immer schriftlich. Ich klebe Post-its auf den Briefkasten, bevor ich zur Arbeit gehe. (Habe ihn informiert, dass ich mir einen Job gesucht habe für die Nacht. Wo ich doch eh nicht schlafen kann.) Und er hinterlässt mir ein paar Zeilen auf der Zeitung.
Heute schreibt er mir, dass er normalerweise den Winter nicht mag. Aber dass es der erste Winter ist, in dem er Frühlingsgefühle hat. Wow! Ich streichele zärtlich über seine geschwungene Schrift. Mein Torero! Ich vermisse ihn. Ich werde ihm morgen eine kleine Überraschung auf den Briefkasten kleben, nehme ich mir vor, ein Bild von einem Palmenstrand. Das ist wirklich das Blödeste an der regelmäßigen Arbeit: Ich sehe ihn nicht mehr jede Nacht.
Das Zweitblödeste ist, dass wir tatsächlich nur noch einmal in der Woche ausgehen können. Aber übermorgen ist endlich Samstag, und da wollen wir mal wieder so richtig auf die Kacke hauen.
Wir sind mit Lulu im Alten Wartesaal verabredet. Das ist eine Disco am Kölner Hauptbahnhof. Lulu steht an eine der riesigen Säulen gelehnt und macht ein Gesicht wie sieben Tage Regenwetter. Aber so ist sie nun mal. Schwule Transvestiten haben immer auch eine Ausbildung zur Drama-Queen absolviert. (Besonders Lulu, die mit ihrem schauspielerischen Talent auch ihr Geld verdient und in verschiedenen Outfits bei Veranstaltungen auftritt und singt.) Deshalb gehen Vivian und ich nicht immer auf jede ihrer Launen ein.
»Hast du schon mal vom Forschungsinstitut Vampire Sun Moon Science gehört?«, frage ich sie. Lulu schüttelt gequält den Kopf. »Schade«, sage ich, »im Internet habe ich auch nichts über die gefunden.« Ich schaue einen Moment den Tanzenden zu. »Vielleicht forschen die ja an einem Anzug, der lichtundurchlässig ist und mit dem man sich tagsüber draußen aufhalten kann. Wäre das cool, oder was? Da könnte man vielleicht sogar irgendwann mal wieder an den Strand gehen!«
»Wenn man dort als Marsmensch rumlaufen will, na klar«, stichelt Vivian.
»Kinder, Tante Lulu ist nicht gut drauf«, verkündet Lulu plötzlich und drückt sich theatralisch mit einem Sticktaschentuch eine nicht vorhandene Träne aus dem Auge. Vivian und ich werfen uns einen Blick zu. Das
kann jetzt alles bedeuten - von »mein Mieder zwickt« bis »er ruft nicht an« oder »früher war alles viel besser, besonders die Zeiten«.
»Was ist denn los?«, frage ich.
»Tante Lulu ist ein klitzekleines Malheurchen passiert.« Und dann erzählt sie uns, dass sie doch tatsächlich an Halloween beim Sex ihren Liebhaber gebissen hat. »Ich hatte ihn ans Bett gekettet, und sein strammes kleines Hinterteil war …«
»Erspar uns die Details!«, unterbreche ich sie hastig.
Lulu lässt die Schultern hängen. »Jedenfalls konnte ich nicht anders.«
»Also kein Koitus interruptus?«, fragt Vivian.
Sie schüttelt den Kopf. »Und jetzt habe ich einen total zickigen Strichervampir in meiner Bude hocken und weiß nicht, was ich machen soll. Ich habe doch keine Genehmigung zur Vampirrekrutierung! Wenn das rauskommt, dann …« Sie schaut uns düster an und schneidet sich mit einem
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