Hühnerbus und Stoppelhopser (German Edition)
verheiratet, hat er mir erzählt.«
»Der ist doch höchstens zwanzig!«
»Hier heiratet man eben früher als bei uns.«
Da sagte Tinchen gar nichts mehr.
Auf dem Weg zu Tee und Krümelkuchen überholten sie Kasulke. Sein Koffer, den er an einer Schlaufe hinter sich herzog, schlenkerte auf dem unebenen Weg von einer Seite zur anderen, und genauso schwankte auch Kasulke.
»Die sind beide besoffen«, urteilte Florian, doch das stimmte nicht. Bruno Kasulke war stocknüchtern.
»Weshalb bringen Sie Ihr Gepäck denn jetzt schon nach vorne? Das hat doch Zeit bis zum Abend.«
»Ob jetzt oder nachher, is doch ejal. Ick jedenfalls bin marschfertig.« Er deutete auf seine neonfarbenen Bermudashorts, die zweifellos aus der Boutique stammten, und auf das ebenfalls neue Hemd mit dem wilden Dschungelpanorama. Von dem weißen Babyhütchen hatte er sich auch getrennt, statt dessen trug er ein khakifarbenes.
»Ist diese Kostümierung für unsere Breitengrade nicht etwas zu kalt?« fragte Tinchen lächelnd.
»Ach wat. Ick steije ja bloß von ein’n Fliejer in den nächsten, und wenn ick in Berlin ankomme, holt mich mein Bruda ab. Der fährt Daimler, da is die Heizung janz prima.«
Sie wollten schon weitergehen, als Kasulke Florian zurückhielt. »Nachher hängt an de Rezeption ’ne Federwaage. Verjessen Se bloß nich, Ihre Koffer zu wiejen, ooch det Handjepäck, denn sind Se wenigstens vorbereitet. Sonst erleben Se nämlich uff ’m Flugplatz ’ne unanjenehme Überraschung.«
»Warum?«
Kasulke winkte ab. »Erzähle ick Ihnen später. Jehn Se erst mal los, sonst wird der Kaffee kalt.«
Schon am Tag ihrer Ankunft hatte sich Kellner Moses für die kleinen Milchdöschen interessiert, die immer auf dem Tisch standen und dank Karstens offenbar unerschöpflichem Vorrat ergänzt wurden, sobald sie zur Neige gingen. Moses kannte keine Kondensmilch, sie schmeckte ihm auch nicht besonders. Ihm gefielen nur die Deckel so gut, weil sie Abbildungen deutscher Schlösser und Burgen zeigten. Als er jetzt die geleerten Portionsschälchen abräumte, faßte er sich ein Herz. »Ich schon lange Mama fragen will, ob alle Leute in Germany wohnen in so schöne Häuser?«
»Du lieber Himmel, nein«, antwortete Tinchen lachend, »die wären ja viel zu groß. Da haben früher einmal Könige und Fürsten gelebt. Das sind keine Häuser, Moses, das sind Schlösser. Castles, you know?«
Er nickte verstehend. »Dann Sie haben viele Könige in Germany?«
»Das war einmal, jetzt haben wir keinen einzigen mehr. In den meisten Schlössern wohnt auch niemand, die sind alt und kaputt wie das Fort Jesus in Mombasa.«
Moses nickte wieder. »Ich verstehn. War Krieg in Germany.«
Bevor Tinchen den Irrtum richtigstellen konnte, mischte sich der Mann von der Kittelschürzenfrau ein. »Wie wollen Sie denn diesen schwarzen Dummköpfen unsere Kulturdenkmäler erklären? Die wissen doch gar nicht, was Kultur bedeutet.« Gebieterisch winkte er Moses an seinen Tisch. »Komm mal her!« Er griff nach dem Bild, das Moses noch in der Hand hielt, und deutete auf das Bauwerk. »Das ist ganz großes Haus. Kostet viel Geld. Wer will kaufen, muß gehen zu geheimnisvolle Berg. Oben ganz viel Schnee. Muß graben ganz tief in Schnee, weil unter Schnee Berg ist aus Gold. Wenn genug Gold ausgegraben, du kannst kaufen Schloß, kannst kaufen Frau, kannst fahren in andere Länder, wo dumme Eingeborene stellen dumme Fragen.«
»Sie arroganter Schnösel!« brüllte Tinchen los. Empört schob sie ihren Stuhl weg, und Florian hatte seine liebe Mühe, sie von einem tätlichen Übergriff abzuhalten. Beide Fäuste hatte sie geballt, eine davon wäre garantiert in dem süffisant grinsenden Gesicht gelandet. Sie nahm die Hände wieder herunter und legte sie Moses auf die Schulter. »Hören Sie gar nicht hin, was der da drüben« – ein verachtungsvoller Blick traf den Spaßvogel – »redet. Er wollte nur einen Joke machen, aber es ist ein sehr geschmackloser gewesen.«
Noch immer sah Moses etwas verwirrt aus, doch allmählich zog wieder das gewohnte Lächeln über sein Gesicht. »Ich schon verstanden, Mama. Auch in Germany nicht wachsen – wie sagen Sie? – Geld auf Bäume.« Er nahm sein Tablett und ging.
Tinchen hatte sich noch immer nicht beruhigt. Am liebsten hätte sie diesem aufgeblasenen Kerl die Meinung gegeigt, und nur widerstrebend ließ sie sich von Florian auf den Stuhl ziehen, räsonierte aber weiter. »Weshalb müssen ausgerechnet die Leute, die selber kein Hirn
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