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Hühnerbus und Stoppelhopser (German Edition)

Hühnerbus und Stoppelhopser (German Edition)

Titel: Hühnerbus und Stoppelhopser (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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die Fensterscheibe zu hart, fand nicht genügend Platz für ihre Beine, fand keine Möglichkeit, die Handtasche ordentlich abzustellen, fand die ganze Art des Reisens äußerst unbequem, schwärmte von Bundesbahn und Zillertal.
    Als einzige in der ganzen Maschine lauschte sie aufmerksam der Schwimmwestenoper, prägte sich die Notausgänge ein und ahmte gewissenhaft die Bewegungen der Stewardeß nach, als diese die Handhabung der Sauerstoffmasken demonstrierte. Nachdem Tinchen ihrer Mutter dann noch die seitenlange Anweisung für Notfälle in die Hand gedrückt hatte, war Frau Antonie für die nächste halbe Stunde beschäftigt. Eine weitere verbrachte sie mit dem Einstellen der Belüftungsdüse, die nach ihrer Ansicht entweder eine Bindehautentzündung oder einen Stirnhöhlenkatarrh auslösen würde und nach mehreren vergeblichen Versuchen, Frischluftzufuhr ohne gesundheitsschädigende Nachwirkungen zu dosieren, von ihr abgedreht wurde.
    Eine dunkelhäutige Stewardeß bot Kaffee an. Frau Antonie wollte lieber Tee, doch der kam erst beim nächsten Durchgang. Also starrte sie mangels sinnvollerer Beschäftigung unentwegt auf die Tragfläche der Maschine und beobachtete die eisernen Nieten. Was, wenn eine davon absprang? Als neulich ihre Waschmaschine gestreikt hatte und der Kundendienst kommen mußte, hatte der Monteur auch eine Niete in der Trommel gefunden. Winzig klein war sie gewesen und hatte trotzdem das ganze Gerät außer Betrieb gesetzt. Wenn hier nun auch …
    »Mutti, dein Tee!« Tinchen klappte den Tisch herunter und stellte die Tasse darauf. »Mach dir keine Sorgen. Solange du trinkst, kann ich ja auf den Motor aufpassen.«
    Eine sonore Stimme aus dem Lautsprecher verkündete, daß man nunmehr die Alpen überquert habe und auf der rechten Seite Mailand sehen könne. Frau Antonie kannte Mailand noch nicht. Leider saß sie links. Bis Julia aufgestanden war und Tinchen und bis die Männerriege die gegenüberliegende Reihe geräumt hatte, war Mailand vorbei.
    »Mehr als ein paar Lichterpunkte hättest du doch sowieso nicht gesehen.« Karsten war mit dem Getränkewagen kollidiert und versuchte sich an den heftig klappernden Flaschen festzuhalten. »Du kannst hier nicht spazierengehen wie im Intercity.«
    Nach dem Abendessen machte sich Müdigkeit breit. Sogar die unentwegt fotografierenden und videofilmenden Zeitgenossen – »Ach, könnten Sie wohl mal den Kopf nach unten halten, dann kriege ich noch was von der Tragfläche mit drauf!« – hatten Feierabend gemacht.
    »Kein Auge werde ich schließen können«, sagte Frau Antonie, bevor sie sich in ihre Ecke kuschelte. Nach fünf Minuten schnarchte sie leise.
    »Siehste, Mami, das meine ich!« zischelte Julia. »Wie soll ich denn drei Wochen lang neben einem grunzenden Walroß schlafen können?«
    »Walrosse grunzen nicht, sie pfeifen.« Die Aussicht, mit ihrer Großmutter einen Bungalow teilen zu müssen, hatte bei Julia schon vor Wochen helle Empörung ausgelöst. »Warum ausgerechnet ich?«
    »Weil Karsten schlecht mit seiner Mutter zusammenwohnen kann«, hatte Tinchen klargestellt.
    »Und weshalb nicht? Zwischen denen besteht ein viel engeres Verwandtschaftsverhältnis als zwischen mir und Oma. Ich bin doch schon die dritte Generation.«
    »Karsten zieht zu Tobias, und daß ich mit Vati zusammenbleiben möchte, ist doch wohl klar.«
    »So klar nun auch wieder nicht. Ihr habt doch seit zwanzig Jahren eine gemeinsame Spielwiese, warum wollt ihr nicht mal eine neue Variante probieren. Du könntest doch mit Oma …«
    »Wenn dir das Arrangement nicht paßt, dann bleibst du eben zu Hause«, hatte Tinchen gedroht, und Julia hatte – wenigstens bis jetzt – den Mund gehalten. Nun hatte sie endlich einen Grund, das Thema erneut anzuschneiden. »Merkst du denn nicht, daß das eben nur die Ouvertüre ist? Warte noch ein paar Minuten, dann übertönt Omas Schnarchkonzert sogar den Radau vom Flieger. Zur Zeit halten sich beide noch die Waage.«
    Das mußte Tinchen notgedrungen zugeben, aber sie fand auch gleich eine Lösung: »Zu Hause gehst du doch nie ohne deinen Walkman ins Bett, nachts habe ich dir schon oft genug die Stöpsel aus den Ohren gezogen. Und gegen Michael Jackson kommt selbst Oma nicht an.«
    »Rick Astley«, verbesserte Julia. »Ist aber nicht drin, weil ich nicht genug Batterien mithabe. Außerdem entgehen mir dann auch die Geräusche der Tropennacht«, ahmte sie den gestelzten Tonfall ihrer Biologielehrerin nach, »unverwechselbar und

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