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Hühnerbus und Stoppelhopser (German Edition)

Hühnerbus und Stoppelhopser (German Edition)

Titel: Hühnerbus und Stoppelhopser (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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Passagiere durchgemacht hatten, die bisher noch nicht auf Jeans und warme Pullover verzichten wollten. Flanellbehoste Herren kamen nach Verlassen des Waschraums in weißen Tennisshorts daher, hatten Oberhemd und Lederslipper gegen T-Shirts und Turnschuhe vertauscht, während vorher in solides Loden gewickelte Damen sich plötzlich großgeblümt präsentierten, schulterfrei einige und nur knapp bis zum Knie.
    »Ich finde das reichlich übertrieben«, sagte Frau Antonie mißbilligend, »mit dieser Demaskierung könnten sie doch wirklich bis zur Ankunft im Hotel warten.«
    »Mal sehen, wie du in zwei Stunden darüber denkst, Mutti. Die hier sind wahrscheinlich alle schon mal in Kenia gewesen und wissen, was sie erwartet.« Prüfend sah Karsten seiner Mutter ins Gesicht. »Du siehst aus, als hättest du prima geschlafen.«
    »Jedenfalls hat sie sich redlich bemüht, gegen den Motorenlärm anzuschnarchen, und manchmal ist ihr das sogar gelungen.« Aus Tinchens Stimme klang blanker Neid.
    Eine Stewardeß verteilte Papiertücher. Mit einer Pinzette holte sie jedes einzelne aus dem Pappkarton und reichte es weiter. »Sehr hygienisch«, lobte Frau Antonie, während sie die Hand danach ausstreckte.
    »Das hat weniger etwas mit der Hygiene zu tun als mit …«
    »Au!«
    »… der Temperatur«, ergänzte Karsten. »Hast du denn nicht gemerkt, daß die Dinger heiß sind?«
    Frau Antonie hatte es nicht gemerkt. Jedenfalls nicht gleich. Jetzt war ihre linke Gesichtshälfte feuerrot und sie selbst kurz vor dem Siedepunkt. Schnell schob Tinchen sie in den Waschraum und bezog davor Posten. Sollte sich Toni erst mal abreagieren.
    Wie lange fünf Minuten sein können, kommt immer darauf an, auf welcher Seite der Toilettentür man sich befindet. Schließlich klopfte Tinchen zaghaft. »Bist du noch da?«
    »Wo sollte ich wohl hingegangen sein?« kam es zurück.
    Aus der nebenanliegenden Pantry zog Kaffeeduft herüber. »Beeil dich ein bißchen, Mutti, sonst versäumst du das Frühstück.«
    Das zog. Endlich konnte auch Tinchen versuchen, ihr übernächtigtes und reichlich zerknittertes Äußeres zu restaurieren. Es blieb bei dem Versuch. Sie mochte gar nicht in den Spiegel sehen.
    »Das einzige, was von mir geschlafen hat, waren meine Füße«, gab sie zur Antwort, als Florian sich scheinbar besorgt nach ihrem Wohlbefinden erkundigte. Im Gegensatz zu ihr machte er einen sehr ausgeruhten Eindruck.
    Das vorsichtshalber als Imbiß deklarierte Frühstück bestand aus Kaffee und einem ziemlich trockenen Baguette, das Tinchen sofort an Tobias weitergab. »Hab keinen Appetit.«
    Frau Antonie dagegen kaute tapfer. »Im Krieg wären wir dankbar gewesen, hätten wir solches Brot bekommen.«
    »Damals war’s ja auch noch frisch«, bemerkte Tinchen.
    Allmählich ging die Maschine in den Sinkflug über. »Wir stürzen ab!« schrie Frau Antonie, krallte sich mit der rechten Hand in Tinchens Arm und suchte mit der linken nach den Anweisungen für den Notfall. »Sofort anschnallen und den Kopf auf die Knie legen! Nun mach schon, Kind, wir sitzen ja im Heck, da sind die Überlebenschancen immer am größten.«
    Lachend befreite sich Tinchen. »Irgendwie müssen wir ja mal wieder runter, wenn wir landen wollen, Mutti. Sieh mal, man kann schon was erkennen.«
    Sie zeigte aus dem Fenster, wo die Morgendämmerung einen ersten Blick auf den schwarzen Kontinent freigab. Dunkelbraune Savanne war zu sehen, Büsche, vielleicht waren es ja auch Bäume, Tinchen war sich da nicht so sicher, ab und zu ein Lichtpünktchen, und immer wieder braune Erde, gelegentlich von einem hellen Band durchzogen, einer Sandpiste, wie sie vermutete.
    »Sieht ja ziemlich öde aus!« Julia war auf ihren Sitz gestiegen und hatte sich über ihre Mutter gebeugt. »Irgendwie habe ich mir den Dschungel anders vorgestellt, viel grüner.«
    »Das ist ja auch nicht der Dschungel, das ist der Busch«, belehrte sie Karsten, »und der ist nun mal trocken und sandig.«
    »Und wo ist das Meer?«
    »Noch nicht zu sehen.«
    »Das sehe ich selber.«
    Kapitän Wetterli kam wieder seinen meteorologischen Pflichten nach. Die Temperatur in Mombasa betrage zweiunddreißig Grad, der Himmel sei leicht bewölkt, und die Passagiere mögen bitte nicht vergessen, ihre Uhren eine Stunde vorzustellen. Es sei genau 5.52 Uhr Ortszeit. Angenehmen Urlaub und good bye.
    Seine Ansprache wurde mit höflichem Beifall quittiert, der sich noch steigerte, nachdem die Maschine sanft auf der Landebahn aufgesetzt hatte. Am

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