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Hühnerbus und Stoppelhopser (German Edition)

Hühnerbus und Stoppelhopser (German Edition)

Titel: Hühnerbus und Stoppelhopser (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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geheimnisvoll. Blöde Schnepfe! Möchte wissen, wo sie den Quatsch gelesen hat. Ist wahrscheinlich noch nie weiter als bis zum Wörthersee gekommen und erwartet von mir ein Referat über die Vogelwelt Ostafrikas. Weißt du etwa, was da so rumfliegt?«
    Nein, das wußte Tinchen nicht, interessierte sie auch gar nicht, sie versuchte vielmehr, ihre Beine auszustrecken, ohne Frau Antonie in die Quere zu kommen, und Platz für ihre Arme zu finden. Schließlich klappte sie den Tisch heraus und legte den Kopf auf die verschränkten Arme. Gar keine so unbequeme Stellung, fand sie, wenn nur das Gerüttel nicht wäre. Nach wenigen Minuten kam sie sich vor, als läge sie auf zwei asynchron laufenden Waschmaschinen mit eingeschaltetem Schleudergang.
    Die Lautsprecherstimme riß sie aus einem unruhigen Schlummer. »Meine Damen und Herren, wir befinden uns jetzt über dem Mittelmeer und haben gerade die Insel Kreta passiert. Unsere Flughöhe beträgt zehntausend Meter, die Außentemperatur minus vierundfünfzig Grad.«
    »Wer will denn das wissen?« brummelte sie vor sich hin, »ohne Wintermantel steigt hier bestimmt keiner aus.« Vorsichtig kletterte sie über die schlafende Julia hinweg auf den Gang, Füße vertreten. Drei Schritte nach links, dann ein großer Schritt über ein Paar quergestellter Beine, noch zwei Schritte, dann Kehrtwendung und zurück, weil ihr eine Stewardeß entgegenkam. Zur anderen Seite hin ging gar nichts, da standen drei Männer und diskutierten die Gewinnchancen der deutschen Eishockeynationalmannschaft. An ihnen vorbei warf Tinchen einen Blick aus dem Fenster. Alles dunkel. Nicht mal der Lichtschein eines Fischerbootes war zu sehen. Na ja, kein Wunder bei vierundfünfzig Grad minus.
    Also krabbelte sie wieder auf ihren Platz und sah neidisch auf die andere Seite hinüber. Florian hatte sich auf seinem Fensterplatz wie ein Igel zusammengerollt und schlief. Karsten ebenfalls. Tobias hockte mit angezogenen Beinen verkehrt herum auf seinem Sitz, den Rücken an die Lehne seines Vordermannes gepreßt, Kopf auf den Knien, und wurde nicht einmal wach, als Tinchen ihm das herausgerutschte Kissen wieder unterschob. Beneidenswerte Jugend.
    Ein Uhr. Noch fünf Stunden Flug. Sie kam sich vor wie gerädert, und wenn sie sich auch bis heute noch gar nicht so urlaubsreif gefühlt hatte, jetzt war sie es.
    Vielleicht sollte sie ein bißchen lesen. Zu Hause half das immer, da schlief sie sogar bei der drittletzten Seite vom Krimi ein und mußte das Buch am nächsten Morgen schnell im Bad zu Ende lesen. Schade, daß sie die ganzen Taschenbücher im Koffer hatte und griffbereit nur eine Illustrierte. Wenn sie die jetzt aufschlug, hatte Julia ihre rechte Hand im Gesicht und Frau Antonie die linke. Tinchen versuchte es trotzdem. »Vergessen Sie den Winter, fliegen Sie mit uns in den Frühling« las sie unter der Anzeige einer Fluggesellschaft, die ihre Passagiere offenbar in umgebauten Eisenbahnwagen beförderte, denn da gab es eine Aussichtsterrasse und sogar eine Bar, um die sich mindestens ein Dutzend Menschen mit lachenden Gesichtern scharten. Und in dieser Blechröhre hier hatte man nicht mal genug Platz für seine Ellbogen, dachte Tinchen erbittert.
    Zwei Uhr. Flugkapitän Wetterli inspizierte den Passagierraum, entdeckte nichts Bemerkenswertes, ließ sich von einer Stewardeß Kaffee geben und rauchte zwei garantiert zollfreie Zigaretten. Dann kehrte er zurück ins Cockpit. Bestimmt hatte er da mehr Bewegungsfreiheit.
    Drei Uhr. Julia gähnte herzhaft. Hoffentlich schläft sie nicht gleich wieder ein, dann könnte ich wenigstens mal mit jemandem reden, dachte Tinchen, aber sie hatte sich geirrt. Julia nahm lediglich einen Stellungswechsel vor. Jetzt lag ihr Kopf in Tinchens Schoß und verdammte sie zur Bewegungslosigkeit. An die Illustrierte kam sie auch nicht mehr ran.
    Vier Uhr. Ob sie etwas zu trinken haben wolle, fragte die Stewardeß. Ja, gerne, einen Tomatensaft bitte. Als sie ihn bekam, mußte sie das Salztütchen mit den Zähnen aufreißen; wo der Klapptisch Platz gehabt hätte, lag Julias Kopf. Auf den Pfeffer verzichtete sie lieber ganz, nachdem das Salz statt im Glas in ihrem linken Schuh gelandet war.
    Kurz vor fünf gingen die Lichter an, Kapitän Wetterli wünschte via Lautsprecher einen guten Morgen und löste bei seinen Fluggästen emsige Betriebsamkeit aus. Vor den beiden Toiletten bildeten sich Schlangen, und Tinchen beobachtete amüsiert, welche Metamorphose nun auch die meisten derjenigen

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