Hühnerbus und Stoppelhopser (German Edition)
sie hierherkommen dürfen! Das hatte auch Frau Simon, ihre Putzfrau, die sich gelegentlich als Wahrsagerin betätigte, aus den Karten gelesen. Früher hatte sie aus dem Kaffeesatz orakelt, aber das ging jetzt nicht mehr wegen der Kaffeemaschinen oder weil die Leute bloß noch Pulver in ihre Tassen kippten. Karten legen war auch ergiebiger, denn es dauerte länger, und sie wurde ja nach Stunden bezahlt. Seit Jahren schon scheuerte sie Frau Antonies Fußböden und wußte genau, was ihre Brötchengeberin hören wollte. Deshalb hatte sie ihr für den Urlaub auch Vorsicht angeraten, denn da hatte der dunkle Herr übern kurzen Weg gelegen, und daß der nichts Gutes bedeutete, wußte schließlich jeder.
»Bis auf Karstens Koffer haben wir alle zusammen.« Keuchend wuchtete Florian das Gepäck auf einen quietschenden Karren. »Nun stellt euch mal beim Zoll an.«
Schon seit einigen Minuten waren Tinchen die suchenden Blicke ihrer Mutter und ihr nervöses Getrippel aufgefallen. »Hast du was?«
»Kind, weißt du, wo sich hier die Toiletten befinden?«
»Nein, aber das werde ich gleich rauskriegen.« Zuversichtlich wandte sie sich an einen herumstehenden Schwarzen. »Namibi wanawake?« Wie gut, daß sie sich mit den Grundbegriffen der kenianischen Sprache vertraut gemacht hatte.
Der Eingeborene schüttelte nur den Kopf. Vielleicht hatte sie die Worte falsch ausgesprochen? Sie versuchte es noch einmal mit Betonung auf der ersten Silbe. Wieder nur ein verständnisloses Achselzucken. Ach, zum Henker mit dem Kauderwelsch! »Where are the toilets please?«
Sofort bekam sie die gewünschte Auskunft in einwandfreiem Englisch, was sie vermuten ließ, daß ihr Gegenüber wohl irgendeinen Stammesdialekt sprach, sie hingegen nur das allgemein gebräuchliche Suaheli beherrschte.
Aus naheliegenden Gründen mußte Frau Antonie auf die schützende Begleitung ihres Sohnes verzichten und sich mit Julia zufriedengeben, die bei einem etwaigen tätlichen Angriff eines der herumlungernden Wilden natürlich keine große Hilfe sein würde. Aber sie konnte wenigstens welche holen.
Als die beiden unbehelligt zurückkamen, hievte Karsten gerade den ersten Koffer auf den Tisch. »Open it!« wurde ihm befohlen. Die Durchsuchung förderte nichts zutage, was dem Beamten bedenklich erschien. Das Playboy-Heft hatte Karsten schon vorher in seine Hose gesteckt und dann die Joggingjacke drübergeknotet. Auch Tobias’ Gepäck durfte anstandslos passieren, und das von Florian brauchte nicht einmal geöffnet zu werden. Bei Julia dagegen dauerte die Kontrolle länger. Grinsend hielt der Beamte einen Minislip in die Höhe, zog einen weiteren hervor, legte ihn zur Seite und machte Anstalten, noch tiefer zu schürfen. Wütend versuchte sie ihm den Kulturbeutel aus der Hand zu reißen. »Nix da, only Kosmetika.« Aber da hatte der Schwarze schon den Inhalt der Tasche ausgekippt. Mit hochrotem Kopf sah Julia zu, wie ihre Tampons über den Tisch kullerten.
»Okay, Lady, you can go.«
»Heißt das, Sie geben endlich auf?« Hastig sammelte sie alles wieder zusammen und preßte es in den Koffer.
»Los, Tine, du bist dran!« drängte Florian.
»Ich kann die Schlüssel nicht finden.«
»Wo hast du sie denn?«
»Dämliche Frage. Wenn ich das wüßte, bräuchte ich sie ja nicht zu suchen.« Immer wieder öffnete sie nacheinander die vier Reißverschlüsse ihrer Flugtasche, durchwühlte jedes einzelne Fach, und wenn sie den letzten geschlossen hatte, zog sie den ersten wieder auf. »Ich weiß ganz genau, daß ich sie in den kleinen Lederbeutel gesteckt habe.«
»Wenn ich euer ganzes Gepäck hier so sehe«, begann Tobias nachdenklich, »dann hättet ihr den Kühlschrank eigentlich auch noch mitnehmen können.«
»Du brauchst nicht sarkastisch zu werden, mein Sohn, so komisch finde ich das nämlich nicht.«
»Ich mache keine Witze, Vati, aber der Lederbeutel liegt zu Hause auf’m Kühlschrank.«
»Wenigstens kann er da nicht verlorengehen«, sagte Tinchen kläglich. »Aber was nun?«
»Es hilft nichts, wir müssen die Schlösser aufbrechen. Hat jemand einen Schraubenzieher dabei?«
Da Handwerkszeug im allgemeinen nicht zu einer Reiseausstattung gehört, wartete Florian vergebens auf Antwort. »Nun weiß ich auch nicht mehr weiter.«
Die Beamten hatten inzwischen die letzten Reisenden abgefertigt. Nur Kasulke stand noch abwartend vor dem Tisch. »Machen Se mal noch janischt, tun Se so, als ob Se weitersuchen. Eben is Neckermann jelandet, und denn is in fünf
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