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Hühnerbus und Stoppelhopser (German Edition)

Hühnerbus und Stoppelhopser (German Edition)

Titel: Hühnerbus und Stoppelhopser (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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sie nicht mehr. Jemand schrie: »Die Koffer kommen!« und sofort entstand Chaos. Alles stürzte in die Ecke, wo sich zwanzig Meter Gepäckband im Kreise drehte und bei jeder Rotation zwei und manchmal sogar drei Koffer beförderte.
    »Bei dem Tempo dauert es ja ewig, bis wir unser Gepäck haben.«
    »Daran müssen Se sich hier jewöhnen, da jeht allet bloß pole-pole. Ick hab bis jetzt bloß een eenzijet Mal ’nen Schwarzen rennen sehn und det war am Strand, wo so ’n wildjewordener Köter hinter ihm her jewesen is.« Zu Tinchen hatte sich der Berliner gesellt, dessen Lidschattenkollektion von Florian bereits in Frankfurt etwas dezimiert worden war. Jetzt lüpfte er artig seinen weißen Babyhut. »Jestatten, Kasulke mein Name. Bruno Kasulke aus Berlin-Schöneberg.«
    »Tina Bender aus Düsseldorf.« Nur mühsam konnte sich Tinchen das Lachen verbeißen, aber dieses Leinenhütchen stellte die Krönung von Kasulkes ohnehin recht phantasievollem Aufzug dar. Es war mindestens zwei Nummern zu klein, rutschte auf dem blanken Schädel hin und her und wurde von Kasulke immer wieder in die richtige Position gerückt.
    »Hab ick mir erst vorijet Jahr jekooft, aba nu isset beim Waschen einjeloofen.«
    Gemeinsam beobachteten sie das Getümmel. »Imma detselbe Theater. Jeder tritt jedem uff die Beene, weil det Karussell da hinten ville zu kleen is. Soll’n se doch warten! Die Busse fahren sowieso nick ab, bevor nicht der letzte drin is.«
    »Und wie lange wird das dauern?«
    »Kommt druff an, wie jenau die Brüder det mit die Kontrollen nehmen. Erst mal jeht’s durch die Paßkontrolle. Da kriejen Se ’nen schönen Stempel und ’ne Unterschrift. Ick hab schon dreimal dieselbe in mein’ Paß. Vielleicht ham se bloß eenen, der schreiben kann, und die andern könn’n bloß stempeln. Deshalb sitzen se ooch drüben beim Zoll.« Kasulke zeigte auf einige zusammengeschobene Tische, hinter denen Eingeborene in khakifarbener Uniform standen und auf ihren Einsatz warteten.
    »Na ja, und wenn Se denn endlich Ihr janzet Jepäck zusammenjeklaubt ham, denn müssen Se da rüber zum Zoll, Koffer uffmachen. Ick weeß zwar nick, wat die Brüder eijentlich suchen, aber sie machen et ziemlich jründlich. Ham ja sonst ooch nischt zu tun. Illustrierte mit nackte Meechen druff wer’n sofort kassiert. Kann man ja vastehn, wo doch die Frauen hier zum Teil noch wie trauernde Witwen rumloofen, einjewickelt in schwarze Schleier, nur die Oogen kieken raus. Und det bei die Hitze!« Kasulke lüpfte erneut sein Hütchen und wischte mit einem Taschentuch die Schweißperlen von seiner Platte. »Vom Zoll jeht’s durch die jroße Tür dahinten nach draußen. Da stehn denn die Hyänen und reißen Ihnen die Koffer aus der Hand. Bis zu die Busse sind et bloß ’n paar Meter, aber wehe, wenn Se Ihr Jepäck alleene tragen woll’n. Die Kerle rotten sich rejelrecht zusamm’n, und denn komme Se janich durch.«
    »Wieviel Trinkgeld muß man denen geben?«
    »Verlangen tun se zwee Mark, aber eene reicht ooch.«
    »Pro Koffer?«
    »Det fehlte noch! Für allet zusamm’n natürlich. Und nich locker lassen, wenn der Schwarze vasucht, Ihr Jepäck wieder aus ’n Bus zu laden. Det darf der nämlich nich, und det weeß er ooch.«
    Die detaillierte Schilderung hatte Frau Antonie mit zunehmendem Entsetzen verfolgt. »Aber die sehen doch eigentlich ganz zivilisiert aus?« Im stillen hatte sie sich schon über die zwar ärmliche und auch nicht immer ganz saubere Kleidung gewundert, aber niemand lief barfuß herum, und nach Palmenblättern und Federschmuck hatte sie bisher vergeblich gesucht. Wahrscheinlich trugen die Eingeborenen ihre Stammeskleidung nur in den Krals. Genau wie im Schwarzwald, wo die Frauen ihre Bommelhüte lediglich zu ganz besonderen Anlässen hervorholten.
    »Et stimmt schon, in ’n Kochtopp stecken die keenen Weißen mehr, aber ihn bis uff’s Hemd ausziehn tun se immer noch. Bildlich jesprochen, jnä Frau, obwohl … wenn ick da so an meinen Kumpel von vorijet Jahr denke, den se in Mombasa eens über die Rübe jezogen und denn ausjeplündert hab’n. Aba war ja seine Schuld. Warum mußte sich der Dussel seine janze Videoausrüstung vorn Bauch hängen und denn mutterseelenallein durch die Altstadt latschen. Wie er wieda uffjewacht is, war natürlich allet weg, sojar die Schuhe.«
    Heilfroh war Tinchen, als ihre drei Mannen Kasulkes Monolog unterbrachen. Das versteinerte Gesicht von Frau Antonie sprach Bände. Sie hatte es ja gewußt! Niemals hätte

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