Hühnerbus und Stoppelhopser (German Edition)
zusammen, ja?« Er machte sich sofort an die Arbeit, räumte die zu Nachttischen umfunktionierten Hocker zur Seite und zerrte so lange an den unhandlichen Bettgestellen, bis sie nebeneinander standen. Erleichtert ließ er sich in das erste plumpsen, rappelte sich aber sofort wieder hoch. »Das ist kein Bett, das ist eine Fallgrube! Statt Matratzen müssen die hier Gummibänder benutzen! Ich hatte soeben intensiven Bodenkontakt.«
Tinchen kümmerte sich nicht um das Lamento. Noch niemals hatten sie ein Hotelzimmer bewohnt, in dem Florian nicht über die Betten geschimpft und hinterher prächtig darin geschlafen hatte. Sie inspizierte den Wandschrank, in dem es nur Fächer gab, und schätzte die Haltbarkeit der hinter einem Vorhang verborgenen Kleiderstange ab. Sie war gespickt mit Bügeln verschiedener Herkunft, überwiegend jedoch mit jenen Drahtgestellen, die von chemischen Reinigungen großzügig mitgeliefert werden und nie in die Mülltonne paßten. Dann gab es noch ein Mittelding zwischen Schreibtisch und Frisierkommode, über dem ein an der oberen Ecke schon erblindeter Spiegel hing. Zwei Stühle ergänzten das Mobiliar. Einer wackelte.
Das hinter dem Zimmer gelegene Bad war noch spartanischer eingerichtet und bot lediglich Personen bis zu maximal hundertfünfzig Pfund Lebendgewicht Bewegungsfreiheit. Ein Glück, daß Mutti sich gerade mal wieder zwei Kilo abgehungert hat, dachte Tinchen, als sie sich zwischen Waschbecken und Dusche zur Toilette durchzwängte.
Es klopfte. »Como in.« Florian war stolz, daß er wenigstens ein paar der eingepaukten Vokabeln behalten hatte. Seine humanistische Schulbildung hatte ihm vor einigen Jahren in Griechenland zwar auch nicht viel weitergeholfen, aber hier nützte sie ihm überhaupt nichts. Er rechnete nicht damit, einem Kellner mit Lateinkenntnissen zu begegnen.
Mit einem Knall flog die Tür auf. »Unsere klemmt auch«, sagte Tobias, »Karsten hat schon mit seinem Taschenmesser rumgehobelt, jetzt quietscht sie bloß noch, wenn sie über den Steinboden schleift. Ich wollte bloß fragen, ob ihr schon eure Koffer habt?«
»Die kommen doch erst in einer Stunde, hat die Mamba gesagt.« Mit tropfenden Händen kam Tinchen aus dem Bad. »Ich hab nicht mal ein Stück Seife.«
»Halb so schlimm, aber Jule steht unter der Dusche und hat nichts anzuziehen.«
Entsprechend mürrisch erschien sie im Speisesaal. »Ist ja ekelhaft, daß man wieder in die durchgeschwitzten Klamotten steigen muß.«
»Daran hättest du eben vorher denken müssen«, bemerkte Tobias ganz richtig. »Wozu hast du eigentlich ein Hirn? Bei dir genügt doch das Rückenmark.«
Bevor Julia antworten konnte, näherte sich ein Kellner. Im Gegensatz zu seinen Kollegen, die alle in weißen Matrosenanzügen herumliefen, trug er Rot. Er heiße Moses und werde den Herrschaften jetzt ihren Tisch zeigen. Sechs Personen, ja? Dann bitte hier vorne, Nummer vier.
»Er spricht ja Deutsch!« Frau Antonie konnte das gar nicht fassen. Waren doch die Eingeborenen als träge und lernfaul bekannt, kaum in der Lage, sich ihren Lebensunterhalt zu verdienen, denn weshalb sonst mußte man seit Jahrzehnten Entwicklungshilfe leisten? Andererseits hatte ein Oberkellner schon eine gehobenere Position und sollte wohl über eine gewisse Intelligenz verfügen.
Ein zweiter Kellner nahte, diesmal einer in Weiß. Er sei für diesen Tisch zuständig, sagte er, und ob Kaffee oder Tee gewünscht werde. Übrigens heiße er Moses.
Als erster war Florian am Büfett. Um die auf großen Platten fächerförmig angeordneten Früchte machte er einen Bogen. Die meisten kannte er nicht, konnte sich auch nicht vorstellen, daß diese aus glibbrigen Kernen bestehenden verschrumpelten Ostereier genießbar sein könnten, Kürbisse aß er sowieso nicht und Ananas nur in Form von Toast Hawaii. Er hielt sich lieber an Wurst und Käse.
»Deine Kürbisse sind Mangos, lieber Florian«, sagte Frau Antonie und nahm sich welche. Mehr wollte sie nicht, wegen der Linie und weil sie um diese Tageszeit niemals zu frühstücken pflegte. Tobias löffelte Müsli.
»Bist du sicher, daß das Zeug auch wirklich für den menschlichen Genuß bestimmt ist?« fragte Julia beim Anblick der dunkelbraunen Flocken.
»Deshalb solltest du es auch gar nicht erst probieren. Hornvieh schickt man auf die Weide.«
Mit dem Messergriff hämmerte Florian auf seinem Ei herum. »Das ist steinhart.«
»Pell es doch erst mal ab, dann wird es weicher«, empfahl Tobias. Er schob seinen
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