Hühnerbus und Stoppelhopser (German Edition)
Boys, beladen mit Tabletts, auf denen Gläser mit Fruchtsaft standen. Jedes Glas war mit einer zum Inhalt passenden Blüte dekoriert. Tinchen wählte eine orangefarbene und prompt die falsche. Das dazugehörende Gebräu schmeckte widerlich süß.
»Du hättest gelb nehmen müssen, da war Ananassaft drin.«
»Woher soll ich das wissen? Bin ich eine Biene?«
Eine mollige Blondine Mitte Dreißig, eingehüllt in einen schwarz-gelben Hosenanzug, trat aus der Tür, worauf hinter Tinchen ein langanhaltendes Stöhnen zu hören war. »Ick werd varrückt, det is ja die Mamba. Und ick hab jejloobt, die hätten se inzwischen wegjelobt.«
Während die Reiseleiterin des KTK ihre Begrüßungsorgie herunterspulte und Zwischenfragen ungeduldig abblockte, klärte Herr Kasulke mit gedämpfter Stimme die Umstehenden auf. »Jaqueline heißt se, läßt sich aba lieba Jäckie nennen, kommt auße Schweiz und kann die Deutschen nich leiden. Keene Ahnung, warum det so is, vielleicht hat se mal ’n mißjlücktet Techtelmechtel mit ’n Deutschen jehabt, jedenfalls wird se immer jleich pampig. Mit die Italjener kommt se prima aus, mit die Schweizer sowieso, und mit die Franzosen kann se ooch janz jut, aba allet, wat deutsch spricht, hat se jefressen. Det hat schon jenuch Beschwerden jehagelt, aba wahrscheinlich hat se andere Qualitäten. Ick würde bloß zu jerne rauskriejen, wat für welche.«
»Warum heißt sie Mamba«, wollte ein Herr von weiter hinten wissen.
»Weil se so jiftig is.«
Endlich wurden die Zimmerschlüssel ausgeteilt, und die staubige, übermüdete Karawane setzte sich in Bewegung. Ein Teil driftete nach rechts, der andere schlurfte geradeaus durch den rundherum offenen Speisesaal, in dem noch vereinzelte Gäste saßen und die Ankömmlinge mit neugierigen Blicken verfolgten.
»Das reinste Spießrutenlaufen«, schimpfte Julia leise. »Guckt mal, wie die uns alle anstarren! Na ja, kein Wunder, die sehen aus wie Roggenbrötchen und wir wie Harzer Käse.«
»Nächste Woche sitzt du hier und lästerst«, prophezeite Tinchen, mit großen Augen zu dem im Hintergrund aufgebauten Frühstücksbüfett schielend. »Hast du auch so ’n Hunger?«
»Und wie! Aber erst unter die Dusche!«
Hinter der am Ende des Speisesaals gelegenen Bar ging es links ab über einen mit Steinplatten gepflasterten Weg quer über eine weitläufige Rasenfläche zu den Bungalows. Sie waren halbkreisförmig angelegt und glichen sich wie ein Ei dem anderen. Vor jedem Häuschen befand sich eine überdachte Terrasse, und Florian schwärmte davon, in der Abenddämmerung dort zu sitzen, einen Arm um sein Tinchen gelegt, in der anderen Hand ein kühles Bier und vor sich die Sonne, wie sie glutrot im Meer versinkt.
»Du und deine Kitschpostkarten-Romantik«, unterbrach Karsten den Monolog seines Schwagers. »Bis du dein kühles Bier auf deine kühle Terrasse transportiert hast, ist es lauwarm geworden. Und solltest du wirklich den abendlichen Kampf gewinnen, wer zuerst unter die Dusche darf, dann nützt dir das auch nichts. Im Hellen gehst du rein, und wenn du wieder rauskommst, ist es dunkel. Dämmerung gibt es in diesen Breiten nicht.«
»Tine, dein Bruder behauptet …«
Von Tinchen war nichts zu sehen. »Die kann doch nicht auf den paar Metern verlorengegangen sein?« Seine Tasche ließ er einfach fallen und spurtete zurück. »Tiiinaa!!!«
»Warum brüllst du denn so?« Auf der kleinen Mauer, die die Rasenfläche seitlich begrenzte, saß Tinchen und blickte aufs Meer. »Flori, ist das nicht herrlich?«
»Natürlich ist es schön, aber das ist es nachher auch noch. Im Augenblick bin ich nämlich mehr an der Schönheit des Frühstücksbüfetts interessiert.«
»Hast du gewußt, daß das Meer wirklich grün sein kann? Gelesen habe ich das schon oft, nur nie geglaubt. Es stimmt aber.«
»Das sieht nur so aus wegen des Planktons und der Sonne und ich weiß nicht, warum noch. Wasser ist von Natur aus farblos.«
»Nein, das Wasser hier ist grün.«
»Jawohl, es ist grün.« Ein hungriger Florian war zu jedem Kompromiß bereit.
»Smaragdgrün!« bekräftigte Tinchen.
Auch damit war Florian einverstanden. Hauptsache, er bekam seine Meerjungfrau endlich von dieser Mauer weg. Die Tür klemmte und ließ sich erst nach einem kräftigen Fußtritt öffnen. »Na ja, die Fürstensuite haben sie uns nicht gegeben, aber soweit ich sehen kann, ist alles da, was der Mensch so braucht«, stellte er nach kurzem Rundblick fest. »Du, die Betten schieben wir aber
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