Hühnerbus und Stoppelhopser (German Edition)
Minuten die Halle wieda rappeldicke voll. Denn lassen die Sie ooch ohne Kontrolle loofen.«
Er behielt recht. Als Florian zum Schein versuchte, das Kofferschloß mit Frau Antonies Nagelfeile zu sprengen, winkte der Beamte ab. Erleichtert traten sie durch die Schwingtür ins Freie.
»Leute«, sagte Florian, wobei er mit zusammengekniffenen Augen in die Sonne blinzelte, »ich glaube, jetzt fängt der Urlaub erst richtig an.«
Kapitel 4
D en größten Teil der Busfahrt verschlief Tinchen. Nur an der Mautstation wachte sie kurz auf, staunte ein bißchen über den Geschäftssinn der Afrikaner, zumindest eine der bequemsten Arten des Geldeintreibens von den Europäern übernommen zu haben, sah noch immer kein Meer, duselte wieder ein. Richtig wach wurde sie erst, als Florian sie am Arm rüttelte. »Schlafen kannst du heute nacht noch genug. Sieh doch lieber mal aus dem Fenster!«
Tinchen sah aus dem Fenster und erblickte endlose Felder mit spitzblättrigen Pflanzen. »Na und? Kakteen habe ich schon in Italien gesehen.«
»Das sind keine Kakteen.«
»Nein? Was denn sonst? Ananassträucher? Es hängen aber gar keine dran.«
»Das sind Sisalplantagen.«
»Aha«, sagte Tinchen, nicht sonderlich beeindruckt. Erst im vergangenen Jahr hatte sie endlich den Sisalläufer auf der Treppe gegen ein edleres Gewebe ausgewechselt, weil sie immer mit dem Absatz hängengeblieben war, und die alternative Einkaufstasche, die Julia mal von einem Schulbasar angeschleppt hatte, benutzte sie auch nie, weil der Griff so scheuerte. Außerdem sahen die Gewächse ziemlich langweilig aus und nahmen kein Ende. »Bist du sicher, daß wir nicht ins Landesinnere fahren? Ich warte immer noch auf das Meer.«
»Hättste nicht geschlafen, hättstes schon gesehen.« Mit einer vagen Handbewegung deutete Florian aus dem gegenüberliegenden Fenster, wo Tinchen außer Büschen und Fächerpalmen nichts entdeckte, was irgendwie an Wasser erinnerte. Die ganze Flora sah im Gegenteil staubig und sehr trocken aus. Und Tinchen machte aus ihrer Enttäuschung auch keinen Hehl.
»Kein Wunder, jetzt herrscht hier absolute Trockenzeit«, erinnerte Florian.
»Aber vom Meer wird doch hoffentlich ein bißchen was übriggeblieben sein?«
Endlich bog der Bus von der asphaltierten Straße in einen besseren Trampelpfad ein und folgte im Schrittempo den ausgewaschenen Fahrtrinnen. Mitten durch ein Eingeborenendorf ging es, vorbei an dunkelbraunen Lehmhütten, vor denen in trauter Gemeinsamkeit Kinder, Ziegen und Hühner im Staub wühlten, vorbei an einem weißgetünchten, mit Ornamenten geschmückten Gebäude, wohl einer Art Kirche, wie Tinchen vermutete, vorbei an Bretterbuden, in denen es von gebrauchten T-Shirts bis zur Schönheitsseife für Filmstars offenbar alles Lebensnotwendige zu kaufen gab, vorbei an mannshohen Bananenstauden bis zu einer rot-weißgestreiften Schranke. Daneben stand ein Holzverschlag mit dem beeindruckenden Schild »Security Office«. Anscheinend war der Sicherheitsbeamte von der Integrität der Busbesatzung überzeugt, denn er ließ sich gar nicht blicken, sondern öffnete die Schranke mit Hilfe einer abenteuerlichen Drahtkonstruktion, die er sogar im Halbschlaf bedienen konnte.
Der Sandweg, auf dem sie immer noch entlangfuhren, endete vor einem großen Blumenrondell. Dahinter erhob sich das weiße, mit einem spitzgiebligen Makutidach gedeckte Hotelgebäude. Pinkfarbene Blütenkaskaden perlten über das Mauerwerk und verliehen dem ganzen Haus einen zartrosa Schimmer.
»Das sieht ja märchenhaft aus! Was sind das für Blumen?«
»Unkraut, Tine. Jedenfalls wächst das Zeug hier wie bei uns zu Hause Löwenzahn«, behauptete Karsten, obwohl er sich da gar nicht so sicher war. Doch hier wucherte sowieso alles quer durcheinander, und er konnte sich auch nicht erinnern, irgendwo in Mombasa ein Geschäft mit Blumentöpfen oder gar Samentüten gesehen zu haben. »Du findest aber weder Geranien noch anderes Balkongemüse.«
Sogar Frau Antonie wirkte recht zufrieden. Hatte sie noch während der Busfahrt mit zusammengekniffenen Lippen und durchgedrücktem Kreuz nahezu unbeweglich auf ihrem Platz gesessen und kaum einen Blick für die vorüberziehende Landschaft gehabt, so wurde sie zusehends umgänglicher. »Doch, das Haus macht einen sehr ordentlichen Eindruck.«
Nur Julia war weder an Architektur noch an Botanik interessiert. »Wo sind denn die Zimmer?«
»Hinten.«
»Und weshalb stehen wir hier vorne herum?«
Wie auf Kommando erschienen zwei
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