Hühnerbus und Stoppelhopser (German Edition)
männliches Wesen gefunden haben, das ihr die Zeit vertreibt.«
»Wen denn? Hier gibt es doch fast nur Paare, und die sind alle verheiratet.«
»Aber nicht miteinander«, sagte Florian und stand auf. »Wollen wir uns noch ein bißchen weiterstreiten oder lieber schlafen gehen?«
»Mit dir kann man doch gar nicht richtig streiten«, beschwerte sich Tinchen lachend, »da redet man und redet, und du stehst bloß da, grinst vor dich hin und sagst kein Wort.«
»Wenn die Spatzen lärmen, schweigt der Adler!«
»Von mir aus schweige weiter, aber schließ endlich die Tür auf, ich muß dringend aufs Klo.«
Kapitel 6
S onntag, 10 Uhr: Schnuppertauchen am Pool, hatte am Schwarzen Brett gestanden. Was immer das auch sein mochte, es interessierte Tinchen herzlich wenig. Wahrscheinlich würde doch wieder nichts daraus werden. Zwar wurde jeden Tag eine andere Freizeitgestaltung angeboten, aber entweder schien es mit der Organisation nicht zu klappen oder die zu animierenden Urlauber waren nicht bereit, sich größeren Anstrengungen hinzugeben, als abwechselnd Bäuche und das Gegenteil in die Sonne zu drehen. Schnitzel in der Bratpfanne muß man zwecks gleichmäßiger Bräune ja auch regelmäßig wenden.
Umsonst trabte Chicita, der für das Vergnügungsprogramm zuständige Eingeborene, jeden Morgen von Liege zu Liege, Notizbuch in der Hand und Kugelschreiber im Kraushaar, und versuchte eine Volleyballmannschaft oder wenigstens ein paar Leute zum Kokosnußweitwurf unten am Strand zusammenzukriegen. Hin und wieder fand er sogar jemanden, der bereitwillig seinen Namen in die Liste schrieb, aber der hatte das bis zum Nachmittag längst wieder vergessen oder hatte keine Lust mehr oder war erst gar nicht zu finden. Nur zum Krabbenrennen waren alle gemeldeten Kandidaten erschienen, weil sich niemand etwas darunter vorstellen könnte und jeder etwas anderes erwartete.
»Uff allen vieren soll’n wa durchs Jras hoppeln«, vermutete Kasulke.
»Glaube ich nicht, ich tippe eher auf eine Art Wettessen, wer die meisten Krabben schafft«, hoffte der Dicke aus Bungalow Nummer fünf, ohnehin mit einem Bauch von Wasserballgröße behaftet und mittags immer der erste am kalten Büfett.
»Vielleicht ist das nur ein Schreibfehler und soll ›Kraulrennen‹ heißen. Die können doch hier alle kein richtiges Deutsch«, gab ein anderer zu bedenken.
»Denn aba ohne mich, kraulen hab ick nie jelernt. Aba als Schiergörl kann ick mir betätijen.«
Die Veranstaltung begann eine halbe Stunde später als vorgesehen, weil Chicita immer noch am Strand saß und nach Krabben buddelte. Endlich hatte er die erforderliche Anzahl beisammen, numerierte ihre Panzer mit Nagellack, steckte sie in eine Kiste und forderte die Mitspieler auf, sich ihren Favoriten herauszusuchen.
»Igittigitt, so was fasse ich doch nicht an!« Frau Schliephan wandte sich mit Grausen ab. Die eine Krabbe übrigens auch, sie fiel einfach um und war tot.
Jetzt waren es nur noch neun, die auf die durch Bretter, Besenstiele und Steinchen markierten Startbahnen gesetzt und auf Chicitas Kommando losgelassen wurden. Nach zwei Minuten war das ganze Spektakel vorbei, nur eine einzige Sprinterin hatte das Ziel erreicht, die anderen waren entweder irgendwo auf der Strecke stehengeblieben oder hatten die Flucht ergriffen. Den letzten Deserteur hatte Wien-Ottakring vier Stunden danach in ihrem Badelatschen gefunden, einen hysterischen Anfall bekommen und sofort ein Serum gegen Skorpionstiche gefordert.
Auch die Frühgymnastik am Pool hatte nur ein einziges Mal stattgefunden, was Tinchen eigentlich bedauerte; die neue Hose saß immer noch ziemlich eng.
Gleich am zweiten Morgen hatte sie sich eingereiht in die Phalanx weiblicher Rubenskörper, froh, daß sie doch noch weit unter der 70-Kilo-Marke lag, aber dann hatte Chicita ein paar herausgerissene Illustriertenseiten um sich herum ausgebreitet und die darauf abgebildeten Übungen nachturnen lassen. Daß es sich hierbei um Skigymnastik gehandelt hatte, mußte ihm wohl entgangen sein. Über weiteres Lehrmaterial verfügte er nicht, und so wurde die Gymnastikstunde auf einen unbestimmbaren Zeitpunkt vertagt, wenn er wieder mal neue Bildchen in neuen Zeitschriften finden würde.
Nun war also Schnuppertauchen angesagt. Da hierfür nicht Chicita zuständig war, sondern Joe, der eigentlich Johann Friedrich hieß und aus der Gegend von Regensburg stammte, bestand immerhin die Aussicht, daß dieses Was-immer-es-auch-sei sogar stattfinden würde.
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