Hühnerbus und Stoppelhopser (German Edition)
alles, was er schließlich hervorbrachte.
Florian schämte sich. Einerseits gönnte er dem Fisch die erkämpfte Freiheit, andererseits wußte er genau, daß bereits am Abend das ganze Hotel über ihn herziehen würde. Er hatte sich noch mit keinem Hochseefischer unterhalten, der nicht wenigstens einen Zwanzigpfünder aus dem Meer gezogen hatte. Bedauerlicherweise ließen sich diese Erzählungen nicht einfach als Anglerlatein abtun, denn es gab Beweise. Am Anlegesteg befand sich nämlich eine Hängewaage, an der die jeweilige Ausbeute gewogen und das ermittelte Gewicht auf der danebenstehenden Tafel notiert wurde. Und dann klickten natürlich die Kameras. Die offizielle des Hotelfotografen war immer dabei, denn zum Saisonende wurde der Jahressieger ermittelt und mit einem Glückwunschschreiben sowie einem Gratisaufenthalt geehrt. Zur Zeit stand der Rekord bei vierundsiebzig Kilogramm Barrakuda.
Offenbar hatte der Schwertfisch seine Artgenossen gewarnt. Es ließ sich kein Fisch mehr sehen, und als Piet gegen vier Uhr durch das Riff steuerte, flatterte außer der kenianischen Flagge kein einziger Wimpel am Mast, der schon von weitem den erfolgreichen Fischzug signalisiert hätte.
»Wenn wa nu wenigstens ’ne schwarze Fahne uffziehen könnten …« moserte Anton, »det bedeutet nämlich Hai. Schmeckt nich so jut wie Schwertfisch, hebt aba det Prestige.«
Als das Boot festmachte, hatten sich schon die üblichen Schaulustigen eingefunden. Sogar Frau Antonie hatte den beschwerlichen Weg nicht gescheut. Sie hatte die Kamera dabei und drückte auf den Auslöser, sobald Florian den Steg betrat. »Wo sind denn nun die Fische?«
»Im Meer!« Mit finsterer Miene bahnte er sich einen Weg durch die Neugierigen. Nichts wie weg hier, rauf in den Bungalow und sich heute gar nicht mehr sehen lassen. Aufs Abendessen konnte er verzichten, er hatte sowieso keinen Appetit. Zum Glück reiste heute nacht ein beträchtlicher Teil der Gäste ab, und die neu ankommenden würden sich für seinen Mißerfolg noch nicht interessieren. Vielleicht ließe sich seine Blamage doch noch in Grenzen halten.
Die Menge zerstreute sich, nur Tobias war noch auf dem Boot geblieben und half beim Aufräumen. In Gedanken überschlug er seine Geldreserven und kam zu dem Ergebnis, daß sie in umgekehrtem Verhältnis zu seinen Wünschen standen. Verzichtete er jedoch auf die Wasserskirunden und würde nur noch ein einziges Mal zum Surfen gehen, dann konnte er sich einen weiteren Angelausflug erlauben. Der heutige Tag hatte ihm nämlich ausnehmend gut gefallen, und wenn sein Vater zu dämlich war, einen Fisch aus dem Wasser zu ziehen, dann mußte ihm, Tobias, nicht unbedingt das gleiche passieren. In technischen Dingen hatte er sowieso mehr drauf. Paps konnte ja nicht mal den Mikrowellenherd einschalten, ohne gleich die gesamte Stromversorgung im Haus lahmzulegen.
»Give me your T-Shirt!«
Verdutzt schüttelte Tobias die Hand ab, die fordernd an seinem Hemd zog. »My shirt? Why?«
»No fishes, no money«, murrte Mahmud, und Tobias erinnerte sich, daß der Erlös der Ausbeute den eingeborenen Helfern zustand.
»Ist doch nicht meine Schuld, wenn die Viecher nicht angebissen haben!«
»So you can give me your shirt«, beharrte der Schwarze. »I have only this one.« Er deutete auf den ausgeblichenen Fetzen, der seine muskulöse Figur nur sehr mangelhaft bedeckte. Tobias glaubte zwar nicht, daß dieser durchlöcherte Lumpen sein einziges Kleidungsstück sein sollte, doch hatte Mahmud auch wieder recht. Für ihn war dieser Trip ein finanzielles Fiasko gewesen, für Florian nur ein moralisches. Kurz entschlossen zog er sein Hemd aus – den Gegenwert würde er sich in klingender Münze von seinem Vater zurückholen! – und reichte es zusammen mit einem zerknitterten Zehnshillingschein, den er noch in seinen Shorts gefunden hatte, an Mahmud weiter. Der bedankte sich wortreich und versicherte ihm, daß Tobias ein good boy sei und in ihm immer einen Freund haben werde.
»Wo ist eigentlich Ernestine? Ich habe sie gar nicht von Bord kommen sehen.« Mutig hatte Frau Antonie das Boot geentert, obwohl es doch nur an zwei dünnen Seilen am Steg festgemacht war und die Laufplanke nicht mal ein Geländer hatte.
»Ach du dickes Ei, die habe ich total vergessen! Wahrscheinlich pennt sie noch.« Tobias rannte zur Kabine, und richtig – dort lag Tinchen, zusammengerollt wie ein Embryo, und schlief. »Hey, Mutti, wir sind wieder zu Hause!«
Keine Reaktion. Vorsichtig
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