Hühnerbus und Stoppelhopser (German Edition)
rüttelte er seine Mutter an der Schulter. Nichts. »Mamm, aufstehen!«
»Ihr wird doch nichts passiert sein? Warum schläft sie überhaupt mitten am Tag? Und dann auch noch so fest?« Prüfend beugte sich Frau Antonie über ihre Tochter. »Merkwürdig, sie atmet ganz gleichmäßig, und Fieber hat sie auch nicht.« Sie griff nach dem Handgelenk. »Sogar der Puls ist völlig normal.« Plötzlich nahm sie Witterung auf, schnupperte sich durch die Kabine und entdeckte die leere Kognakflasche, die Bernie bei seinem Auszug vergessen hatte. »Tobias, deine Mutter ist betrunken! Hol mal Wasser!«
»Woher denn?«
»Mein Gott, Junge, rundherum gibt es doch wohl genug.«
Als Tobias mit der tropfenden Baseballmütze zurückkam, enthielt sie nur noch eine geringe Menge Flüssigkeit, aber die reichte aus, Tinchen aus ihrem Tiefschlaf zu wecken. »Ihr seid gemein! Ich hab grade so schön geträumt. Das neue Abendkleid hättet ihr mich wenigstens noch anziehen lassen können.« Gähnend richtete sie sich auf. »Hat endlich was angebissen?« Dann wurden ihre Augen riesengroß. »Mutsch!!! Was machst du denn hier? Bist du uns nachgeschwommen?«
»Es ist fünf Uhr, das Boot hat vor einer halben Stunde festgemacht, und du liegst hier betrunken in der Koje und merkst von allem nichts. Ein Glück, daß die Leute schon weg sind. Wenn wir unten herum über den Strand gehen und dann die kleine Treppe hinter den Bungalows benutzen, wird wohl niemand deinen Zustand bemerken. Am besten gehst du gleich ins Bett.«
»Bestimmt nicht, geschlafen habe ich genug. Was ich jetzt brauche, ist eine kalte Dusche.« Sie stand auf und suchte ihre Sachen zusammen. »Wo ist denn Florian?«
»Schon gegangen«, sagte Tobias grinsend.
»Verständlich«, pflichtete ihm Frau Antonie bei, »ich würde mich auch schämen, mit einer betrunkenen Frau durch das Hotelgelände zu gehen.«
»Sagt mal, geht’s euch nicht mehr gut? Wovon sollte ich betrunken sein? Von zwei Flaschen Cola?«
»Hier riecht es aber wie in einer Budike, und der Inhalt dieser Flasche ist doch sicher nicht verdunstet.« Frau Antonie hielt das Corpus delicti Tinchen vor die Nase.
»Die gehört mir nicht, die hat Bernie mitgebracht.«
Tobias nahm die Sporttasche, in der seine Mutter von Sonnenöl bis zu Tabletten gegen Durchfall alles ihr notwendig Erscheinende mit an Bord gebracht hatte, und half ihr fürsorglich über die Laufplanke.
»Verdammt noch mal, ich bin nicht betrunken!« Jetzt wurde sie wirklich ärgerlich. »Keine Ahnung, weshalb ich plötzlich so müde war. Mittagsschläfchen sind noch nie mein Fall gewesen. Aber wenigstens bin ich nicht seekrank geworden!« trumpfte sie auf. »Und jetzt erzähl mal, Tobias, was ihr alles geangelt habt.«
»Laß dir das lieber von Vati erzählen, der ist schließlich der Held des Tages gewesen.«
Bei den Bungalows angekommen, ermahnte Frau Antonie ihre Tochter, eine halbe Stunde vor Beginn des Abendessens im Speisesaal zu erscheinen. »Ich hoffe zwar, daß alles klappt, aber so genau kann man das bei den durchaus willigen, jedoch nur eingeschränkt fähigen Angestellten nie wissen.«
»Was soll denn klappen?« fragte Tinchen mäßig interessiert.
»Nun ja, so feierlich wie zu Hause läßt sich das nicht arrangieren, aber ich hoffe, Florian wird unsere Bemühungen zu würdigen wissen.«
»Wieso? Ist er Angelkönig geworden?«
Tobias war es, dem endlich ein Licht aufging. »Ich schmeiß mich hintern Zug! Wir haben Vatis Geburtstag vergessen!«
Kapitel 8
F rau Antonie hatte in »Fishermans Wharf«, einem dem Hotel angegliederten Nobelrestaurant, decken lassen. Hier pflegten Yachtbesitzer zu speisen, die auf ihren Kreuzfahrten im »Coconutpalmtrees« Station machten, oder auch Gelegenheitsbesucher, denen das Essen im eigenen Hotel allmählich zum Halse heraushing. Die kenianische Variante von rheinischem Sauerbraten ist eben nicht jedermanns Sache.
Nur Fischer sah man begreiflicherweise nie, waren doch die gesalzenen Preise so ziemlich das einzige, was eine Verbindung zwischen dem Namen dieses Gourmettempels und den Fischen schuf. Eine Ankerkette aus schwarzem Kunststoff hing von der Decke herab, und das armdicke zusammengerollte Tau, auf der Bartheke festgenagelt, hatte bereits Spinnweben angesetzt. Irgend jemand hatte es auch schon als Aschenbecher mißbraucht, was der Besenbrigade wohl entgangen war. Dafür gab es weiße Tischdecken statt Plastiksets, gestärkte Servietten sowie eine Besteckauswahl, deren Vorhandensein Frau
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