Hühnerbus und Stoppelhopser (German Edition)
intensivere Nachforschung nicht aus, und das vorsichtshalber mitgenommene Mini-Wörterbuch erwies sich als unzulänglich. Es war ja auch gleichgültig, weshalb der holländische Kenianer statt des heimischen Ijsselmeeres den Indischen Ozean durchpflügte, Hauptsache, er konnte einen Kompaß lesen und würde sie wieder heil zurückbringen.
Das Schiff sah genauso aus, wie Hochseefischkähne auszusehen haben. Es war natürlich weiß, hatte eine zum Deck hin offene überdachte Kabine und war im letzten Drittel mit großen Angelruten bestückt. In der Mitte stand ein festverschraubter Holzstuhl mit Armlehnen und Fußstützen wie beim Zahnarzt. Eine steile Hühnerleiter führte hinauf zur Brücke. Zwei Eingeborene, Mahmud und Nelson, schleppten eine Kühltasche mit Getränken an Bord. Piet sah auf seine Armbanduhr, dann ins Wasser und drückte schließlich auf einen Knopf. Sofort tutete eine Art Nebelhorn los, und unmittelbar darauf stolperten zwei männliche Gestalten in Bermudashorts, Blümchenhemden und Sonnenhüten über den Steg. Einer war lang und dünn, der andere genau das Gegenteil. Beide zogen gemeinsam eine verdächtig ausgebeulte Segeltuchtasche hinter sich durch den Sand.
»Pat und Patachon«, feixte Tobias beim Anblick dieser seltsamen Figuren, und »Heaven, the twins!« stöhnte Piet, was Tinchen zwar korrekt mit »die Zwillinge« übersetzte, sich aber keinen Vers darauf machen konnte. Wie Zwillinge sahen die beiden nun wirklich nicht aus, eher wie Don Quijote und Sancho Pansa, aber aus Spanien kamen sie auch nicht. Es waren Landsleute, genauer gesagt, Berliner, und sobald sie den Mund aufmachten, schwante Tinchen, daß diese Vergnügungsfahrt vielleicht doch kein reines Vergnügen werden würde.
»Morjen, Leute!« flötete der Kleinere los. »Habt ihr schon lange uff uns jewartet? Könn wa nischt für, unserm Käpt’n is unterwegs der Motor abjesoffen. Da hat er uns ’nen halben Kilometer früher rausjeschmissen. Den Rest mußten wa loofen.«
Es stellte sich heraus, daß die beiden in einem anderen Hotel wohnten und mit einem kleinen Schlauchboot hergebracht worden waren.
»Ick bin Anton, und det lange Laster is Bernie. Und wie heeßt ihr?« Die Antwort wartete er gar nicht erst ab. Unter erheblichem Keuchen kraxelte er die Stiege zur Brücke hoch. »Morning, Skipper.« Kräftig schlug er Piet auf die Schulter. »I am glad to drive again with you. The last Mittwoch was a very nice day with us together, stimmt’s?« Dann hängte er den Kopf nach unten und brüllte: »Bernie, sag mal unserm alten Freund juten Tach, det is wieder derselbe wie letztetmal.«
Unter Umgehung der Treppe, die er bei seiner Länge nicht brauchte, streckte Bernie seine Hand in die Höhe, Piet schüttelte die Fingerspitzen, und dann schmiß er Anton von der Brücke. Der hatte sogar Verständnis dafür. »Ick weeß Bescheid, bei det Ablejemanöver hat keen Unbefugter hier oben wat zu suchen. Is ja ooch richtich wejen die Konzentration und so. Und überhaupt müssen wir erst mal uff det Jelingen von unsern Fischzug anstoßen.«
Bernie hatte inzwischen seine Tasche geöffnet. Aus dem verdächtig klirrenden Inhalt holte er eine Kognakflasche hervor, setzte sie an den Hals, nahm einen kräftigen Schluck und reichte sie an Tobias weiter. »Biste schon achtzehn?«
Tobias bejahte, wies aber die Flasche zurück. »Ich halte mich an die Devise tropenerfahrener Europäer: Kein Alkohol vor Sonnenuntergang.«
»Sehr vernünftig«, lobte Bernie und nahm einen weiteren Schluck. »Wie wär’s denn mit ’n Halleluja-Bier? Wir ham vorjesorgt, denn hier an Bord jibt’s doch bloß Brause.« Zum Beweis ließ er Tobias in seine Tasche sehen, die außer mit einem Dutzend Bierflaschen auch noch mit einer angebrochenen Flasche Whisky gefüllt war. »Wollen Sie das etwa alles trinken?«
»Na, det is vielleicht ’ne Frage! Jloobste, ick will damit die Fische besoffen machen? Der Tach is lang und die Sonne heiß. Außerdem denken wa immer an unsere Mitmenschen, oder sind die beeden Herrschaften da vorne ooch abstinent?«
Die beiden Herrschaften am Bug hatten nichts gehört. Sie hielten sich an den Händen und ließen sich den Fahrtwind ins Gesicht wehen. »Hier merkt man die Hitze gar nicht«, wunderte sich Tinchen, »heute abend sind wir bestimmt braun wie Kokosnüsse. Wasser reflektiert doch die Sonnenstrahlen, nicht wahr?«
»Hm.« Florian hatte sich gegen die Reling gelehnt und die Augen geschlossen. Warum konnte Tinchen nicht mal fünf
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