Hühnerbus und Stoppelhopser (German Edition)
ihr schwarzen Bastarde!«
»Aber Mutti!!!«
»Na ja, ist doch wahr«, entschuldigte sie ihren wenig damenhaften Ausrutscher, »es war doch nur zu ersichtlich, was die mit uns vorhatten.«
»Was denn?« fragte Karsten hinterhältig. Dabei war er froh, daß seine Mutter ihre Empörung in der deutschen Originalfassung herausgeschrien hatte und nicht etwa in englischer Übersetzung. In diesem Fall mochte er sich die Folgen gar nicht erst ausmalen.
»Klotz, Klotz, Klotz am Bein, Klavier am Bauch«, intonierte Tobias, als sie sich wieder, einer hinter dem anderen, auf den langen Marsch machten, »lang ist die Chaussee.«
»Kann man wohl sagen«, doch tapfer fiel Julia ein: »Kilometer, Kilometer, lang ist die Chaussee …«
Wo waren bloß all die Dörfer geblieben, die sie auf der Hinfahrt gesehen hatte, grübelte Tinchen. Vereinzelt stehende Hütten mit Kindern davor und angepflockten Ziegen hatte sie doch überall bemerkt! Waren sie denn überhaupt auf der richtigen Straße? Nirgends eine Laterne, kein Ortsschild, kein Zeichen irgendwelchen Lebens außer einem gelegentlich vorbeifahrenden Auto. »Flori, ich hab Angst. Es ist alles so dunkel.«
Er blieb stehen, bis sie ihn eingeholt hatte. »Wo soll denn Licht herkommen, wenn diese Eingeborenenhütten keinen Strom haben? Die machen es wie unsere Altvorderen: Bei Sonnenaufgang raus aus dem Bett und bei Dunkelheit wieder rein. Nicht umsonst hat Kenia den größten Bevölkerungszuwachs in ganz Afrika.«
»Und die Deutschen sterben aus«, sagte Karsten lachend, »muß wohl an der Überkapazität von Strom liegen.«
Kurz, vor zehn sammelte sie ein Hühnerbus auf, und zwanzig Minuten später schlappten sie müde, verstaubt und hinkend durch den leeren Speisesaal bis zur Bar. »Cola!« röchelte Tobias.
»Wat denn, schon zurück vonne Safari?« Kasulke staunte. »Oder seid ihr jar nick erst wegjekommen, weil der Stoppelhopser mal wieda kaputt war?«
»Nun sagen Sie bloß noch, die Flugzeuge sind auch Schrott?« Florian stellte das geleerte Bierglas hin und griff nach dem nächsten.
»Keene Bange«, sagte Kasulke, »runter kommen se immer. Alte Pilotenweisheit.«
Mit dieser beruhigenden Gewißheit machte sich Florian auf die letzten hundertfünfzig Meter Fußmarsch zum Bungalow. Noch nie hatte er sich so nach einer Dusche gesehnt.
»Hier, lies mal, das hat an der Tür gehangen«, empfing ihn Tinchen. »Alles, was schiefgehen kann, geht heute auch schief.«
Auf dem hektographierten Zettel stand: Wegen dringender Reparaturarbeiten wird von 21.30 bis 6.00 Uhr früh das Wasser abgestellt.
Kapitel 11
M utti, hättest du gedacht, daß Birgit an der Nadel hängt?« Verschlafen blinzelte Tinchen in die Sonne. Sie mußte auf ihrer Liege wohl ein bißchen eingenickt sein. Nadel? Welche Nadel? Wovon redete Julia? »Hast du endlich den Knopf an deiner rosa Bluse angenäht?«
»Hat Oma schon gemacht. Und außerdem bist du mal wieder im völlig falschen Zug. Birgit ist heroinsüchtig!«
»Quatsch!« sagte Tinchen kategorisch. »Rauschgiftsüchtige sehen aus wie der Tod auf Latschen, fahren nicht in Urlaub, schon gar nicht mit ihren Eltern, und jetzt möchte ich bloß mal wissen, wer dir diesen Bären aufgebunden hat.«
»Niemand, ich habe es selber gesehen.« Jetzt flüsterte Julia nur noch. »Als ich eben auf die Toilette wollte, stand Birgit neben dem Waschbecken und jagte sich eine Spritze ins Bein. Zum Glück hat sie mich nicht bemerkt, ich bin ja auch gleich wieder umgekehrt.«
»Bist du dir ganz sicher?«
»Das kann ich beschwören.«
Jetzt erinnerte sich Tinchen auch, daß sie Birgit schon mehrmals beobachtet hatte, wie sie morgens vor dem Frühstück in die Hotelküche gegangen und wenig später mit einer kleinen weißen Plastiktüte wieder herausgekommen war. Es hatte sie zwar nie interessiert, aber nun bekam diese Wahrnehmung einen ganz anderen Stellenwert. »Schade um das Mädchen, es ist so ein netter Kerl. Ich finde es nur merkwürdig, daß dir nicht früher etwas aufgefallen ist. Ihr steckt doch dauernd zusammen.«
Gefreut hatte sie sich, weil ihre Tochter so schnell Anschluß gefunden hatte. Seit zwei Tagen saß sie sogar mit Birgit und Susi an einem extra Tisch, aber das sollte man schleunigst rückgängig machen. »Es ist wohl besser, wenn ihr nicht mehr so oft zusammengluckt.«
»Genau das habe ich mir auch vorgenommen«, versprach Julia, nur hatte diese Bereitwilligkeit einen ganz anderen Grund. Der hieß Wolfgang und wartete bereits unten am
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