Hühnerbus und Stoppelhopser (German Edition)
Sonnenuntergang elf. Wobei man allerdings erwähnen muß, daß nur zwei von ihnen Schraubenschlüssel hatten, während die anderen mit Hämmern, Zangen und teilweise recht artfremden Instrumenten bemüht gewesen waren, die Sache in den Griff zu kriegen. Zum Erstaunen sämtlicher Gäste hatte das Brett am nächsten Morgen festgesessen, und zum noch größeren Erstaunen ist es auch später nicht in den Pool gefallen.
Entgegen Birgits Befürchtungen gab es mittags keinen Eintopf. Das übliche Salatbüfett setzte sich ohnehin aus Speisen zusammen, die man nicht zu kochen brauchte, die Graupensuppe wurde kalt serviert und hieß diesmal nicht à la Marie Antoinette, sondern Gazpacho, und für die Lammkoteletts, die sowieso immer von einem in Ehren ergrauten Hammel stammten, wurden kurzerhand die Holzkohlengrills angeworfen. Dazu gab es Kartoffelsalat. Hakuna matata! Lediglich der dem üblichen Vergnügungsprogramm zugefügte Hinweis am Schwarzen Brett, heute abend werde ein Candlelight-Dinner stattfinden, ließ ahnen, daß die Elektriker den Fehler noch nicht geortet hatten.
Julia war auch wieder da. Ohne das Taucherteil aus Uelzen. Ein bißchen schwimmen sei sie gewesen und dann noch eine Runde segeln, was ja durchaus der Wahrheit entsprach. Bis zu den Mangrovensümpfen waren sie erst gar nicht gekommen, sie waren vielmehr in der allgemein als Tote Hose bekannten Bucht gelandet, wo ewige Flaute herrschte und niemand ohne fremde Hilfe mehr rauskam. Das Seenotrettungskreuzer genannte Schlauchboot hatte sie denn auch wieder in den Wind gebracht, nur war das Taucherteil im Umgang mit Mast und Segel ähnlich talentiert wie in der Handhabung von Taucherbrille und Tarierweste, jedenfalls rammte der Katamaran seitlich eine vor Anker liegende Yacht und hinterließ eine zwei Meter lange Schramme. Als der wütende Eigner an Deck erschien, war Julia feige an Land geschwommen. Eine Heldin war sie nie gewesen, und überhaupt ist ein Held auch nicht tapferer als jeder andere; er ist nur fünf Minuten länger tapfer.
Nicht nur Julia drehte Birgit demonstrativ den Rücken, indem sie ihren Platz am Familientisch wieder einnahm, auch Frau Antonie war zurückgekehrt, weil nämlich Fräulein Kruse wieder da war und überhaupt kein Vergleich mit der sehr distinguierten Frau Schliephan.
Wie kann man während des Essens von verwesenden Antilopen erzählen oder von Löwen, die sich an einem fliegenübersäten Kadaver gütlich tun? Daß die sanitären Verhältnisse mitten im Busch nicht optimal sind, kann sich schließlich jeder denken, doch detaillierte Angaben darüber müssen nicht sein, wenn man gerade Suppe löffelt. Frau Antonie räumte ihren Platz mit der Entschuldigung, es sei nun wohl doch ein bißchen sehr eng geworden. Jetzt beäugte sie interessiert den Zuwachs am Nebentisch. Herrn und Frau Kurz kannte sie bereits, sie hatten sogar schon gemeinsam den Tee eingenommen – sprich: Frau Antonie hatte woanders keinen leeren Stuhl gefunden –, die beiden Neuen jedoch nicht. »Was sind das für Leute?«
»Keine Ahnung« sagte, Tinchen, »sie sitzt immer auf der Liege und strickt was Grünes. Was er macht, weiß ich nicht. Ich sehe ihn nie.«
»Kannssuauchganich.«
»Man spricht nicht mit vollem Mund, Tobias!«
»Isprechaganimivolmun.« Er schluckte den Bissen aber doch hinunter, bevor er weiterredete. »Der hängt nämlich den ganzen Tag unten an der Strandbar herum.«
»Wenigstens einer, der hier ’ne anständige Beschäftigung hat.« Klang da nicht ein bißchen Neid aus Florians Stimme? »Mir geht diese Herumfaulenzerei allmählich auf den Geist. Wollen wir nach dem Essen nicht mal etwas unternehmen?«
»Wir haben Tauchkurs.«
»Immer noch?«
»Heute zum letztenmal im Pool, und morgen geht es dann noch einmal ins Meer.« Julia stand auf. »Leg mal ’n schnelleren Gang ein, Tobias, du bist sowieso immer der letzte.«
»Hast du eigentlich die Dekotabelle kapiert, Jule? Vorhin habe ich dauernd herumgerechnet, aber ich steige einfach nicht dahinter.«
»Mit deiner Vier in Mathe wundert mich das auch nicht.« Für Tinchen klang das wie Chinesisch. »Wozu braucht man so eine Tabelle?«
»Wegen des Druckausgleichs. Man muß wissen, wie lange man in welcher Tiefe war, danach richtet sich die Auftauchzeit und vor allem der Abstand … also kurz gesagt, du kannst nicht ganz rauf, hockst frustriert in drei Meter Tiefe und hoffst auf ein baldiges Ende.«
Nun wußte es Tinchen ganz genau.
»Hat der Bengel eigentlich schon ein
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