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Hühnerbus und Stoppelhopser (German Edition)

Hühnerbus und Stoppelhopser (German Edition)

Titel: Hühnerbus und Stoppelhopser (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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sehr solide Vorkriegsware.
    »Ist das nicht wieder ein wunderschöner Tag?« bemerkte Herr Kurz ganz richtig, während Frau Kurz der Ansicht war, es sei bestimmt noch etwas heißer als gestern, dabei sei es ja gerade erst zehn Uhr. Dann wollte sie wissen, wo Susi sei. »Ich habe ihrer Mutter versprochen …«
    »Weiß ich nicht«, sagte Birgit kurz angebunden, »ich bin nicht ihr Babysitter. Heute morgen hat sie jedenfalls in ihrem Bett gelegen.« Frau Kurz war beruhigt. »Nun geh mal schön zu Vati, Rücken einölen!«
    Kaum war sie außer Hörweite, atmete Birgit auf. »Das war garantiert der letzte gemeinsame Urlaub! Wenn mir Mutti ausnahmsweise mal nicht auf den Keks geht, labert mich Susi voll. Dabei habe ich die nur mitgenommen, damit ich den Einzelzimmerzuschlag spare, aber wenn ich gewußt hätte, was für eine Nervensäge das ist, hätte ich lieber draufgezahlt. So eng befreundet, wie Mutti immer tut, sind wir nämlich gar nicht. Werden wir auch nicht«, fügte sie hinzu, »sie ist sterbenslangweilig. Nie trägt sie etwas zur Unterhaltung bei, nicht mal, wenn sie zur Tür rausgeht.«
    Kellner Charles, das leere Tablett wie eine Aktentasche unter den Arm geklemmt, sammelte Bestellungen ein. »Mama auch zu trinken haben?«
    »Vor einer halben Stunde habe ich bei der Schlaftablet … hm, bei Ihrem Kollegen, einen Zitronensaft geordert. Kriege ich den endlich, oder muß ich erst die von meinem Hut ausdrücken?«
    »Die haben da vorne doch mal wieder kein Eis«, sagte Birgit. »Die Klimaanlage ist auch ausgefallen, die Milch war sauer, also gehen die Kühlschränke nicht, und zum Essen gibt’s wahrscheinlich Eintopf; im Eisenkessel über Holzfeuer gekocht. Ich liebe Afrika!«
    »Nun sei nicht so pessimistisch«, tröstete Tinchen, »bis zum Abend werden sie das schon wieder hingekriegt haben.«
    Es dauerte auch gar nicht lange, da bewegte sich eine Prozession Eingeborener vom Eingang kommend quer durch den Speisesaal, um dann irgendwo hinten im Gelände zu verschwinden. »Sechs, sieben, acht, neun Mann hoch«, zählte Birgit, »diesmal haben sie den Katastrophenschutz geholt.«
    Die beiden Anführer der Gruppe trugen uniformähnliche Anzüge mit Achselklappen und Silberknöpfen, die übrigen sahen aus wie fast alle Eingeborenen ohne amtliche Funktion: Ausgefranste Shorts und Hemden in verschiedenen Stadien des Zerfalls. Einer schleppte einen hölzernen Handwerkskasten.
    »Da muß wirklich die ganze Stromversorgung zusammengebrochen sein, wenn sie gleich einen kompletten Suchtrupp schicken.«
    »Sie sind noch nie hier unten gewesen, nicht wahr? Dann können Sie auch nicht wissen, wie so was abläuft.« Birgit rückte ihre Liege ein bißchen näher an Tinchen heran. »Also: Die beiden in den blauen Affenjäckchen sind die Elektriker; natürlich keine mit Fachausbildung und Gesellenprüfung, das kennt man hier gar nicht, aber wenigstens haben sie Ahnung von der ganzen Materie – na ja, und die anderen sind die Sklaven. Die müssen jetzt genau nach Anweisung ihrer Bosse die Niggerarbeiten machen, und wenn sie dabei eins gewischt kriegen, haben sie Pech gehabt. Wenn nach vier Stunden immer noch nichts klappt, kann wenigstens einer dem anderen die Schuld geben, und wenn’s doch hinhaut, weiß sowieso keiner, warum. Und erst recht nicht, wie lange. Hakuna matata, dann kommen sie morgen eben wieder.«
    Nun wußte Tinchen Bescheid. Diese Lebensphilosophie erklärte so manches. Zum Beispiel die Malerarbeiten. Drei Tage lang hatte es gedauert, bis das Preisschild für die Bar fertig gewesen war, eine einfache Holztafel, deren ausgeblichene Schrift nur nachgezogen werden mußte. Jedesmal, wenn Tinchen an dem Freiluftatelier vorbeigekommen war, hatte ein anderer Künstler davorgehockt und die Arbeit seines Vorgängers korrigiert. Jetzt saß die Farbe zentimeterdick auf dem Holz und fing an abzuplatzen. Na und? Dann wird man sie eben neu pinseln.
    Oder die Sache mit dem Sprungbrett. Einen neuen Belag hatte es bekommen, und nachdem es ein paar Tage lang neben dem Pool an einer Palme gelehnt hatte, war endlich der Hausmechaniker mit zwei Hilfskräften angerückt. Offenbar gestaltete sich die Montage dieses Bretts schwieriger als erwartet. Immerhin waren sechs Bolzen zu befestigen und mit untertassengroßen Schraubenmuttern zu sichern. Angefangen hatte das ganze Unternehmen gleich nach dem Frühstück. Um die Mittagszeit waren bereits sechs Leute mit der diffizilen Arbeit beschäftigt gewesen, zur Teatime acht und bei

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