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Hühnergötter

Titel: Hühnergötter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Lautenbach
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konnte.
    Schnell hatte der dicke Stralsunder alles im Griff. Er fuchtelte mit den Händen wie ein Dirigent, der ein grimmiges Orchester antrieb. Wehe dem, der seinen Einsatz verpatzte.
    Handzettel. Hundestaffel. Staatsanwaltschaft. Aus der Kurverwaltung die Liste aller Urlauber. Bereitschaftspolizei, eine Hundertschaft spätestens morgen früh bei Tagesanbruch.
    »Wo bleiben die Pinnwände, verdammt noch mal!«
    Er ließ sich in den Bürgermeistersessel fallen, auf dem Tisch vor sich eine Gemeinderatsuntertasse voller Kippen. Die Rauchverbotsschilder an den Wänden galten für andere Zeiten. Pieplow sah Schweißränder bis zum Gürtel, als Ostwald die Arme hob.
    »Also los. Was haben wir?«
    Schöbel räusperte sich. »Eigentlich nichts.«
    »Die Eltern?«
    »Die Mutter war im Haus, der Vater in seinem Atelier.«
    »Ist das überprüft?«
    Schöbel nickte. »Wenigstens zum Teil. Die Großtante bestätigt die Angaben der Mutter. Der Vater hatte Kunden in der fraglichen Zeit. Ein Ehepaar und zwei Frauen, die wir aber noch nicht gefunden haben.«
    Als Pieplow begriff, worauf das Gespräch zielte, holte er tief Luft, um ein Gefühl von Beklemmung loszuwerden. Auf den ungeheuerlichen Gedanken, dass Marie ihrem Kind etwas getan haben könnte, wäre er nie gekommen. Dass er nicht das Zeug zum Kriminalpolizisten hatte, lag vielleicht daran, dass derart abwegige Ideen einfach nicht in seinen Kopf wollten.
    »Irgendeine Verbindung zu dem Fall vor zwei Jahren?« Ostwald steckte sich die nächste Zigarette an. Niemand außer Pieplow schenkte dem dicken Rauchring Beachtung, den er dabei fabrizierte. »Nicht, dass wir die ganze Insel umkrempeln und die Kleine ist die ganze Zeit bei einem notorischen Kinderfinder.«
    Schöbel hob die Hände und ließ sie zurück auf den Tisch fallen. »Er spricht wenig. Und mit Fremden schon gar nicht. Pieplow war bei ihm.« Schöbel wedelte mit der Hand in Pieplows Richtung. Alle am Tisch wandten die Köpfe zu ihm um.
    »Also, was ist?«, bellte Ostwald.
    Pieplow merkte, wie er rot wurde. Weil er nichts Falsches sagen, sich nicht lächerlich machen wollte. Und auch, weil die anderen begreifen sollten, wie Marten war. »Marten Buhrow ist ein bisschen sonderbar«, begann er vorsichtig.
    »Bisschen ist gut«, frotzelte der Bergener mit der Sonnenbrille und machte mit der rechten Hand die Scheibenwischer-Bewegung vor seinem Gesicht.
    »Ruhe!«, schnauzte Ostwald ihn an.
    »Also, ein bisschen sonderbar. Er hat vor vielem große Angst. Vor Autos zum Beispiel. Oder Flugzeugen, wenn sie zu tief fliegen. Und vor allem, was er nicht kennt. Er merkt immer, wenn sich in seiner Umgebung etwas verändert, und er spricht auch. Eben nur nicht mit Fremden. Oder wenn er aus sonst einem Grund Angst hat. Ich habe ihn nach Leonie gefragt. Er sagt, er weiß nicht, wo sie ist.«
    »Er lebt bei den Eltern?«
    »Bei der Mutter. Der Vater ist letztes Jahr gestorben. «
    »die Mutter bestätigt die Aussage des Jungen?«
    Eigentlich war Marten kein Junge mehr. Einunddreißig, wenn Pieplow sich richtig erinnerte. Trotzdem nickte er. Es wirkte selbstbewusster, als er sich fühlte. Wo bin ich hier nur reingeraten, dachte er. Gleichzeitig musste er sich eingestehen, dass etwas wie Jagdeifer in ihm keimte. Niemand in diesem Raum würde ruhen, bevor man nicht wusste, was mit Leonie geschehen war. Auch Pieplow nicht.
    »Es muss Hinweise geben. Zurzeit sind ein paar Tausend Menschen auf Hiddensee.« Schöbel runzelte die Stirn. Zwischen seinen rötlichen Augenbrauen erschienen zwei tiefe Furchen. »Ein Säugling schreit doch. Man kann ihm nicht drohen oder ihn sonst wie einschüchtern, damit er still ist. Also entweder Leonie ist irgendwo versteckt, wo sie niemand hört, oder …«
    »Erst mal gehen wir davon aus, dass sie noch lebt«, fiel Ostwald ihm ins Wort. »Deswegen hat die Suche nach ihr absoluten Vorrang. Mit Handzetteln nicht nur hier, auch in Kloster, in Neuendorf, überall auf der Insel. Morgen bei Tagesanbruch fängt die Bereitschaftspolizei mit den Suchhunden an, jeden Stein auf dieser Insel einzeln umzudrehen. Und für alle gilt, dass jeder Kleinigkeit Beachtung geschenkt wird. Jeder! Ob etwas unwichtig ist, wird sich zeigen, wenn wir den Fall abgeschlossen haben. «
    Vor Pieplow auf dem Tisch lag sein Notizblock. Er fuhr mit dem Zeigefinger an den Kanten entlang. »Es gab so eine Kleinigkeit.« Er fürchtete, schon wieder rot zu werden. »Eine Frau hat ihr Fahrrad als gestohlen gemeldet. Es war nur hundert Meter vom

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