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Hühnergötter

Titel: Hühnergötter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Lautenbach
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solchen Mist?«
    »Wieland Sommerfeld«, klärte Pieplow ihn auf. »Der ist jedes Jahr in Grieben. Kennst du auch. So einer mit Beethoven-Frisur. Hält manchmal Vorträge über Hauptmann.«
    »Na und? Als wenn eine Insel ihre Unschuld verlieren könnte!« Während er das sagte, lag sein Blick zwischen Schürzenschleife und Rocksaum der blonden Kellnerin. Pieplow konnte sich vorstellen, an welche Art von Unschuld Kästner dachte.
    »Wenn du mich fragst, war’s eine Frau.«
    Pieplow sah erstaunt auf. »Wie kommst du denn darauf?«
    Kästner zuckte gelassen die Schultern. »Erpressung scheidet aus, sonst hätten wir schon was gehört. An irgendeinen Perversen glaub ich nicht. Das war ’ne Frau, glaub’s mir. Kann keine Kinder kriegen oder so was, dreht durch und klaut sich eins. Kommt doch immer wieder vor.«
    Wo er Recht hat, hat er Recht, dachte Pieplow. Und die Spezialisten von der Kripo denken auch nicht viel anders, nur dass sie es Hypothesen nennen und in alle Richtungen ermitteln. Zum Beispiel in der Familie des Opfers. Weil so was auch immer wieder vorkam.
    Der Wirt ließ zwei ovale Tabletts gekonnt von seiner Hand auf den Tisch gleiten. »Habt ihr schon irgendeine Spur?«
    »Wir sowieso nicht.« Kästner pulte die Gewürzgurkenfächer von seinem Salamibrot, bevor er eine Kinderfaust große Bucht hineinbiss. »Das machen alles die klugen Jungs aus Stralsund. Wir werden bloß in der Gegend herumgescheucht, Zettel verteilen und Räder begutachten.«
    »Seit heute Morgen um sechs durchkämmt die Bereitschaftspolizei die Insel«, ergänzte Pieplow, um Kästners Genörgel abzuschwächen. »Die Spuren am Kinderwagen werden ausgewertet, und es wird weiter nach möglichen Zeugen gesucht. Aber viel ist dabei bislang nicht herausgekommen.«
    »die Leute reden von nichts anderem mehr.« der Wirt drehte sich halb zu den Gästen an den anderen Tischen um.
    »Es verdirbt ihnen den Urlaub, sagen sie. Hier hätten sie immer alle Sorgen vergessen können. Aber wenn so was passiert, ist das eben nicht mehr gut möglich. – Der geht aufs Haus«, wehrte er ab, als Pieplow bezahlen wollte.
    »Das Brot auch, danke«. Kästner tupfte sich mit der Serviette die Mundwinkel.
    »Warum isst du eigentlich nicht zu Hause?«, fragte Pieplow genervt.
    Kästner hatte eine nette Frau. Patent, energisch, gute Köchin. Und er futterte dauernd irgendwo anders.
    »Tu ich doch. Aber woanders naschen ist auch lecker.« Mit einem Seufzer sah er der Kellnerin hinterher.
    die Rolle als Frauenexperte gefiel Kästner. Aber Pieplow hatte noch nie von wirklichen Eskapaden seines Vorgesetzten gehört. Auf der Insel hätte sich das in Windeseile herumgesprochen.
     

     
    Dem rothaarigen Polizisten stand Schweiß auf der Stirn. Schöbel. Jetzt fiel Marie der Name wieder ein. Der dicke neben ihm hieß Ostwald. Zu den nikotingelben Fingern seiner rechten Hand passte der Geruch nach altem Rauch, der von ihm ausging. Er wirkte wie die Ruhe selbst. Keine Frage nach einem Aschenbecher, nicht mal ein unbewusstes Tasten nach der Zigarettenschachtel. Keine Spur von Nervosität, obwohl er schon fast eine Stunde hier saß. Ostwald stellte die Fragen, Schöbel machte Notizen. Marie konnte nicht erkennen, was auf seinem Block stand, und es war ihr auch gleichgültig. Vielleicht, dass sie noch dasselbe anhatte wie am Tag zuvor? dass ihre Augen geschwollen waren, als habe sie Schläge ins Gesicht bekommen? Ihre Stimme klang fremd. Pelzig vor Trockenheit, monoton wie von einer Maschine. Nur so konnte sie das Gespräch aushalten und ihre mechanischen Antworten geben.
    »Vor vier Jahren.«
    »Seitdem leben Sie das ganze Jahr hier …«
    Marie brauchte nur zu nicken. Ja.
    »… und kümmern sich um die Vermietung?«
    »Jetzt. Ja. Anfangs kam noch der Umbau dazu. Erst die Ferienwohnungen, dann das Atelier. Aber was hat das mit Leonie zu tun?«
    Wenn sie den Blick auf einen Punkt richtete, schmerzten die Augen besonders. Sie senkte langsam die Lider und das Brennen wurde schwächer. Außerdem tat die Dunkelheit gut.
    Auf ihre Frage bekam sie keine Antwort.
    »Wem gehören Haus und Grundstück?« Sie hörte Ostwalds Stimme wie durch Watte. Um antworten zu können, müsste sie ihre Lippen befeuchten, und sogar dafür fehlte ihr auf einmal die Kraft.
    »Das Haus gehört mir. Aber Marie ist Erbin. Sie ist die Enkelin meiner Schwester.« das war Fines Stimme. Erstaunlich fest, mit einer Spur Ärger. »Erst hat sie mir bei den Finanzsachen geholfen. Als es schlimmer wurde mit meiner

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