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Hühnergötter

Titel: Hühnergötter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Lautenbach
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Strohdachs.
    Konzentrier dich, beschwor sie sich. Finde heraus, was das Wahrscheinlichste ist. Ob sie schon am Zaun Halt machen oder bis ins Haus kommen und Fragen stellen? den Schuppen öffnen, das Fahrrad finden.
    Fast wäre sie gestürzt, so hastig jagte sie die Treppe hinunter. Warf einen Blick durch das Küchenfenster auf den Schuppen. Das Vorhängeschloss war eingehakt, der rostige Bügel in den Kolben geschoben. Den Schlüssel sah sie an seinem Haken neben der Haustür.
    Die Gardinen waren nicht vor die Fenster gezogen. Durch die große Scheibe hinter der Sitzbank konnte jeder den Raum überblicken. Tisch und Stühle am Essplatz, das alte Sofa mit der gestreiften decke. Der niedrige Tisch, auf den sie manchmal die Füße legte, wenn sie in einem der Sessel saß. Aber nirgendwo etwas, das sie verraten konnte. Keine Trinkflasche. Kein Kinderhemd. Nichts. Jetzt zahlte sich aus, dass sie alles immer sorgfältig wegräumte. Zu groß war das Risiko von jemandem entdeckt zu werden, der eigentlich nichts hier zu suchen hatte. Jemand, der früher mal in diesem Haus Ferien gemacht hatte. Oder nächstes Jahr machen wollte. Nachbarn, die neugierig waren oder sich erkundigten, wann der oder der kam, der sonst doch im Sommer immer hier gewesen sei.
    Noch einmal ließ sie den Blick durch den Raum wandern. Nur die Tabletten sollten noch verschwinden. Sie huschte gebückt zur Küchenzeile hinüber und stopfte die Schachtel hinter Mehl und Zucker auf dem Regal hinter dem Herd.
    War die Haustür abgeschlossen? den Kontrollgriff zur Klinke wagte sie nicht. Bestimmt hatte sie den Schlüssel herumgedreht, bevor sie ihn aus dem Schloss gezogen hatte. Zweimal sogar, da war sie sich fast hundertprozentig sicher.
    Auf Zehenspitzen schlich sie die Treppe wieder nach oben und setzte sich auf den Absatz vor der Kammer, die Füße auf der letzten Stufe. Regungslos, den Kopf auf die Knie gedrückt, hockte sie da und wartete auf das, was geschehen würde.
    Wie ein Tier in der Falle, dachte sie. In die Enge getrieben, mit dem Rücken zur Wand.
    Am liebsten hätte sie geweint. Oder laut geschrien und sich mit den Fäusten gegen die Brust getrommelt, wie sie es bei verzweifelten Affenfrauen gesehen hatte, die ihren Jägern nicht entkommen konnten.
    Ohne Eile rückten sie näher an das Haus heran. Das war schlecht, weil es das Warten furchtbar in die Länge zog. Das war gut, weil sie Zeit hatte, sich zu beruhigen.
    Auf den Hof konnte jeder. Durch die Gartenpforte, den grasüberwucherten Weg entlang bis zur Tür, wie jeder andere Besucher auch. Dann mussten sie klopfen. Wenn sie durch die Fenster ins Haus guckten, war das vielleicht auch noch erlaubt. Aber für alles andere brauchten sie einen Durchsuchungsbefehl. Oder hatten sie den dabei? Automatisch sozusagen, weil es ein Notfall war? »Gefahr im Verzug« nannten sie das wohl. Aber sah hier irgendwas nach Gefahr aus? Sogar für den Schuppen werden sie eine Erlaubnis brauchen. Der Schuppen! Sie schnappte nach Luft, als ihr das Fenster in der Rückwand einfiel. Jemand, der gründlich suchte, würde es hinter den Kiefern am Zaun entdecken. Auch wenn die Scheiben wellig und fast blind waren – das Rad stand gut sichtbar neben dem Rasenmäher.
    Sie kamen zu zweit. Wenigstens die vor der Tür waren zu zweit. Ob die anderen warteten oder schon weiter über die Heide zogen, konnte sie von ihrem Posten aus nicht sehen.
    Es klopfte. Zweimal kurz. Pause. Keiner da. Eine Frauenstimme. Trotzdem wurde noch einmal geklopft. Drei Fingerknöchelschläge gegen die Tür. Komm schon. Die Frauenstimme drängelte. Wenn ich’s dir doch sage – keiner zu Hause.
    Kein Wunder, brummte der Mann, bei dem Wetter wär ich auch lieber am Strand. Schreib auf, dass wir hier waren und niemanden angetroffen haben.
    Dann war nichts mehr zu hören. Das Gras auf den Gehwegplatten schluckte die Schritte der Polizeistiefel. Eine Weile saß sie noch zusammengekauert auf ihrem Platz. Alles blieb still. Von draußen hörte sie nichts und auch nichts von dem Kind auf dem Bett in der Kammer.
     

     
    »So ein überflüssiger Scheiß!«
    Pieplow sparte sich eine Erwiderung. Erstens, weil das klüger war, wenn Kästner schlechte Laune schob, und zweitens hatte er keine Ahnung, worum es ging. Sie waren nur zufällig vor dem Rathaus aufeinandergetroffen. Kästner nach der Einweisung von Suchtrupps in der Heide und Pieplow mit einem Stapel Fingerspurenkarten aller Nachbarn am Süderende.
    »Durchsuchungsbeschlüsse! Wenn’s nach mir

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