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Hühnergötter

Titel: Hühnergötter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Lautenbach
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ließ er sich nicht. Die beiden Dösbaddel wussten ganz genau, wann er auf die Bank am Hafen zusteuerte. Wenn oben in der Pension die Frauen das Kommando übernahmen und Klarschiff machten. Betten beziehen, abwaschen, Fenster putzen. Dann war es Zeit, am Anleger mal nach dem Rechten zu sehen.
    »Mensch, Fiete«, mahnte Pieplow, »wir machen das hier doch nicht zu unserem Vergnügen. Das muss alles ins Protokoll.«
    »Um zehn, ihr Nervensägen! Paar Minuten eher vielleicht. Das Schiff war noch nicht weg.«
    »Oh Mann«, stöhnte Kästner und hackte in die Tasten seines Telefons. »Ich mach eine Wallfahrt, wenn das hier endlich vorbei ist.« Für das Gespräch mit Ostwald ging er ein paar Schritte zur Seite. Pieplow sah, wie er nickte. Fahrrad sichern. Nichts anfassen. Spurensicherung abwarten.
    Am besten sie zogen das rot-weiße Band vom Rettungsring an der Hafenmauer hinüber zum Papierkorb und von da bis zum Fahrradständer und bauten sich davor auf.
     

     
    Die Uhr im Armaturenbrett zeigte zwanzig vor elf. Wenn sie das Elf-Uhr-Schiff noch erreichen wollte, musste sie sich beeilen. Sie berechnete die Zeit, die es brauchte, um das Auto abzustellen und unter den Augen der Polizisten an Bord zu gehen. Denn die standen immer noch da. Aber niemand von ihnen dachte daran, die Passagiere Richtung Hiddensee zu kontrollieren.
    Sie hatte am Morgen beim Anlegen genau verfolgt, wie sie es machten, hatte absichtlich getrödelt und sich ans Ende der Warteschlange gestellt. Fünfzehn Polizeibeamte zählte sie. Lange Reihen aus Schultischen bildeten fünf Gänge wie Schleusen, durch die sich die Menschen schoben. Sie arbeiteten zu dritt. Kein Koffer, kein Rucksack, keine Tasche entging ihnen. Jedes Kleinkind nahmen sie genauestens in Augenschein und ließen sich durch das Gedränge um sie herum nicht aus der Ruhe bringen.
    Hinter ihrer dunklen Sonnenbrille fühlte sie sich sicher. Sie konnte sogar den Kopf wenden, als interessierten sie die Wartenden rechts und links. Aus den Augenwinkeln sah sie trotzdem, was vor ihr geschah.
    Und dann kam die Brünette mit dem weiten Kleid an die Reihe. Der bunt gestreifte Stoff wölbte sich über ihrem Leib, in der Hand hielt sie nur eine offene Strohtasche. Ein flüchtiger Blick reichte, um zu erkennen, dass darin kein Kind sein konnte. Über das Gesicht der Brünetten huschte ein halbes Lächeln, eines von der leidenden Sorte, das sagte: »Es geht mir nicht gut, aber ich bin tapfer und ertrage, was nicht zu ändern ist.« dazu hielt sie ihre Hand mit gespreizten Fingern vorn an den Bauch, etwa in Höhe des Nabels, aber ein kleines Stück links davon. Der Polizist lächelte aufmunternd zurück und beeilte sich mit der Erfassung der Personalien.
    Am liebsten hätte sie »genau!« oder »jawohl!« oder etwas Ähnliches gerufen, als sie sah, wie die Schwangere auch das letzte Hindernis passierte und hinter dem Fahrkartenpavillon verschwand. So würde es gehen. Das Kind an den Bauch gebunden, ein weites Kleid darüber, den watschelnden Gang und ein hilfloses Lächeln vorher geübt, und niemand würde sie aufhalten. Kein Polizist tastete einen Neunmonatsbauch ab, zumindest keiner von diesen hier, so sorgfältig sie ihre Sache auch machten.
    Es schien, als würde sich jetzt alles ändern. Sie hatte für das größte Problem eine ganz einfache Lösung gefunden. Jetzt durfte sie nur keine Fehler mehr machen. Nicht auffallen. Jeden Schritt vorher bedenken.
    Danach war alles andere ganz leicht. Zwei Dörfer, zwei Ärzte. Zweimal die gleichen Ermahnungen. Nicht für die Dauerbehandlung. Das Suchtpotenzial, die Nebenwirkungen, vor allem bei hoher Dosierung. Nach Alternativen suchen.
    Geduldig wartete sie ab. Nickte.
    Gewiss. Das sagte der Hausarzt auch. Nach dem Urlaub würde sich vieles ändern. Fast alles sogar.
    Endlich die Rezepte und weiter zur Apotheke. Es gab nur eine in Gingst. Sie zögerte einen Augenblick, aber so dumm war sie nicht, Rezepte von zwei verschiedenen Ärzten vorzulegen. Sie überschlug, wie viel Zeit sie brauchen würde, um noch nach Bergen zu fahren. Zu lange. Das Kind war seit vier Stunden allein. Sie würde einfach wiederkommen. Natürlich nur bei Bedarf. Wer konnte schon wissen, was in zwei oder drei Tagen war?
    die Apothekerin schrieb abends 1, morgens 1/2 auf die Packung und machte darunter den energischen Strich mit dem Schlenker am Ende. Genau wie auf der anderen Schachtel, obwohl die aus Wolfsburg war. Vielleicht gehörte es zur Apothekerausbildung, energische Striche mit

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