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Huehnerhoelle

Huehnerhoelle

Titel: Huehnerhoelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Herbert Beckmann
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er sich als Kriminalbeamter aufführte wie einer von der Lebensmittelkontrolle.
    Er ließ seine Stimme persönlicher, freundlicher klingen: »Sagen Sie, Mann, finden Sie das nicht auch selbst eine … eine Sauerei? Tun Ihnen die Tiere denn gar nicht ein bisschen leid?«
    Der Arbeiter starrte ihn weiter an. Zwar mit sichtbar unruhiger werdenden Zügen hinter dem roten Adernetzwerk in seinem Gesicht. Aber er blieb stumm.
    Hufeland kam ein Gedanke. »Verstehen Sie mich eigentlich? – Sprechen Sie Deutsch?«
    Â»Deutsch?« Der Mann zuckte unsicher die Schultern.
    Â»Wie heißen Sie denn? Sagen Sie mir bitte Ihren Namen?«
    Â»Name?«
    Â»Ja, bitte.«
    Â»Name: Szmoltczyk.«
    Â»Aha. Danke.« Hufeland überlegte kurz. »Sie sind Pole, stimmt’s?«
    Â»Polen, da.«
    Â»Und Sie sprechen ein wenig Deutsch?«
    Â»Deutsch? Nje. Polski.«
    Â»Okay, hab verstanden. Was ist mit den anderen? Ihren Kollegen?« Hufeland wies mit der Hand auf die Arbeiter, die am Vordereingang der Halle weitere Ladungen kreischender Hühner herausfuhren, um sie draußen zu verladen.
    Â»Koledzy, da.«
    Â»Ja, kommen Ihre Kollegen auch aus Polen?«
    Die Augen des Mannes leuchteten. Er machte eine umfassend kreisende Bewegung mit der Hand (der Hühnerstrauß schwang kräftig mit) und nickte. »Polski, da. Koledzy.«
    Â»Herr Szmoltczyk, wissen Sie eigentlich, dass Ihr Chef, Wilhelm Kock, tot ist.«
    Der Arbeiter blickte ihn erschrocken an. »Kock, da. Chef«, bestätigte er eifrig.
    Â»Danke, Herr Szmoltczyk«, sagte Hufeland und seufzte unmerklich. Er verabschiedete sich mit einer kleinen kreisenden Handbewegung und ging nachdenklich zurück zum Seitenausgang. Begleitet vom unsäglichen Schreien der Hühner, die um ihr Leben fraßen und umso schneller den Tod fanden.
    Eigentlich, überlegte er, war es doch erstaunlich, wie wenig Arbeiter ein Mastbetrieb von solcher Dimension brauchte. Ein mickriges halbes Dutzend Leute, wenn’s hoch kam, hatte er bei der Arbeit gesehen. Allesamt vermutlich billige Kräfte aus Polen, willkommen im Dumpinglohnsektor.
    Er durchquerte den Vorraum, stemmte die nur mehr angelehnte schwere Eisentür auf und trat hinaus in den grauen, wolkenschweren Novembertag.

16
    Kevin befand sich drüben bei den Mülltonnen für die Hühnerkadaver. Er stand auf den Zehenspitzen, hielt mit dem kurzen ausgestreckten Arm den grünen Deckel auf und beugte den Kopf über den Rand, soweit ihm das bei seiner Körpergröße möglich war.
    Er kotzte auf das Hühneraas.
    Der Junge hatte einen Orden verdient. Den großen ›Ich kotz doch nicht neben eine Mülltonne, egal was drin ist‹-Orden.
    Â»Kevin!«, rief Hufeland ihm zu. Der Junge drehte sich über die Schulter gequält zu ihm um, mit schreckgeweiteten Augen. Er sah aus wie Peter Lorre in ›M – eine Stadt sucht einen Mörder‹. Für Hufeland der einzig wahre Kriminalfilm, alles danach war Schrott. »Wir fahren, Kevin! Zu Kock junior. Na los, Junge!«
    Zuviel Mitgefühl schadete hier nur. Der Bengel schämte sich offenbar seiner vermeintlichen Schwäche.

17
    Wagner saß entspannt in seinem Dienstwagen, als sie zum Wohnhaus der Kocks zurückkehrten, und rauchte mit zufriedener Miene. Die strahlend weiße Dienstmütze baumelte lässig an der Gangschaltung.
    Hufeland klopfte an die Scheibe des Seitenfensters auf der Beifahrerseite. Doch Vennebecks Polizeiobermeister reagierte nicht, sondern schüttelte nur immerzu rhythmisch den Kopf. Mit den leicht geschlossenen Augenlidern und der etwas herabhängenden Unterlippe hatte sein Gesicht einen ziemlich debilen Ausdruck angenommen.
    Erst jetzt sah Hufeland den MP3-Player in seiner Hand und die weißen Kabel, die aus seinen Ohren wuchsen. Er ließ das Klopfen sein und bat Kevin Kuczmanik, sich einmal frontal vor dem Wagen aufzubauen.
    Kevin tat es mit Leichenbittermiene. Die toten Hühner lagen ihm allzu schwer im Magen. Der war sowieso seine Schwachstelle. Und anders, als die meisten dachten, hatte er nicht deshalb die Statur eines Zwergnilpferds, weil er sich Tag und Nacht mästete (nur manchmal). Sondern wegen einer Stoffwechselstörung, die ihn seit frühester Kindheit hatte aufquellen lassen wie einen Hefeteig. Und die auch seinen Magen nur vegetarische Kost verkraften ließ. Dass sie ihn bei der Kriminalpolizei überhaupt

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