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Huehnerhoelle

Huehnerhoelle

Titel: Huehnerhoelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Herbert Beckmann
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ersten Siedlungsringen mit Einfamilienhäusern jüngeren Datums, nicht ohne die schon bekannten gekreuzigten Hühner im Vorgarten.
    Kevin zeigte auf einen großen alten Mann mit schlohweißem Haar, der vor einem der Häuser stand und etwas tat, das Hufeland bestürzte: Vor dem Huhn am Marterpfahl hielt der Alte den Kopf gesenkt, die Hände gefaltet. Offensichtlich betete er für die arme Kreatur, eine von der Sorte Plastikhuhn, die in der Tat täuschend echt aussah.
    Hufeland brachte den Wagen am Straßenrand zum Stehen, und sie stiegen aus. Vorsichtig näherten sie sich dem alten, offensichtlich verwirrten Mann. Jetzt erkannten sie auch, dass er unter dem knielangen grauen Wollmantel noch einen schwarzen Rock trug, der bis zu den Knöcheln reichte. Eine Soutane, erkannte der gewesene Messdiener Hufeland sogleich.
    Â»Ein Geistlicher«, flüsterte Kevin, offensichtlich ebenso betroffen wie Hufeland.
    Ja, aber wohl kaum der örtliche Pfarrer.
    In gebührendem Abstand von einigen Metern warteten sie, bis der alte Priester sein Gebet beendet hatte und mit einem Kreuzzeichen dem Huhn seinen verwirrten Segen erteilte. »In nomine patris et filii et spiritus sancti.«
    Â»Guten Tag«, sprach Hufeland den Alten an. »Können wir etwas für Sie tun?«
    Der alte Mann schüttelte traurig sein weißhaariges Haupt. »Wer tut denn nur so etwas … Gottloses?«
    Â»Das Huhn ist nicht echt«, beeilte sich Kevin Kuczmanik zu erklären. »Alles Plastik.«
    Der verwirrte Geistliche blickte Kevin einige Sekunden lang mitleidig an und hob dann zwei Finger der rechten Hand, um auch ihn zu segnen. »In nomine patris …«
    Kevins kugelrunder Kopf leuchtete auf wie das Ampelrot, und Hufeland drehte es immer mehr den Magen um. Nicht allein wegen des Gestanks, der von Kocks Gülleweiden herüberzog. Die Szene war einfach zu makaber. Und traurig. Der alte Mann erinnerte ihn an seine Mutter.
    In diesem Moment hielt auf der kleinen Straße ein silbergrauer Passat Kombi. Ein Mann in Hufelands Alter, mit Halbglatze und deutlichem Bauchansatz, stieg aus. Aus seinem schwarz-weißen Stehkragen unter dem dunklen Jackett wuchs ein sichtlich erregtes Gesicht.
    Â»Pater Paulus«, wandte er sich an den Alten, »wir waren doch verabredet. Zum Mittagessen bei mir!« Mit diesem sanften Vorwurf streckte er fürsorglich seine Arme nach ihm aus. »Kommen Sie, Pater, wir fahren zusammen.«
    Er führte den alten Mann zur Beifahrerseite seines Wagens. Doch bevor der Pater einstieg, segnete der noch einmal Hufeland und Kevin, ihr Auto und dann auch das Auto des Pfarrers, dem er sich nun anvertraute.
    Der Priester schlug die Autotür zu und kam noch mal rasch auf Hufeland und Kuczmanik zu. »Ich bin Pastor Sömmering«, sagte er. »Danke, dass Sie angehalten haben. Es passiert eigentlich nie etwas, wenn der Pater spazieren geht. Aber wenn er zum Essen nicht auftaucht, mache ich mir doch Sorgen.« Er bedankte sich ein weiteres Mal und setzte sich ins Auto. Nicht ohne nun auch selbst von Pater Paulus den Segen zu erhalten. Verdientermaßen. Dann fuhren sie ab.

23
    Hufeland parkte den Wagen auf dem Parkplatz unmittelbar vor der Dorfkirche. Als sie ausstiegen, war er angenehm überrascht. Er hatte Vennebecks Ortskern von früher als einen gesichtslosen Flecken in Erinnerung, durch den sich ein graues Straßenband zog, das einem sagte: Schnell weg hier!
    Â»Alle Achtung, der Ort hat sich gemacht«, sagte er anerkennend mehr zu sich als zu Kevin, der sich etwas umständlich den Mantel zuknöpfte. Die Hauptstraße rund um die Kirche war verkehrsberuhigt durch Schwellen und Verengungen; komfortable, ochsenblutfarben gekennzeichnete Radspuren begrenzten sie links und rechts. Ein Café, ›Die Bäckerlinde‹, linkerhand und eine Gastwirtschaft gegenüber und der schon mehrfach erwähnte ›Brooker Hof‹ waren neben einer Apotheke, einem Bekleidungsgeschäft, einem Fahrradladen und einer Drogerie die weltlichen Kommentare zur backsteinernen Kirche, die ihr massives Haupt ungerührt weit hinaus in den Hühnerdunst erhob.
    Denn natürlich waberte er auch hier: der Huhngestank, Kocks allgegenwärtige Duftmarke in Vennebeck.
    Sie überquerten die jetzt um die Mittagszeit kaum befahrene Straße mit dem für Großstädter so komfortablen Gefühl, nicht mal nach rechts und links blicken zu müssen, weil

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