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Huehnerhoelle

Huehnerhoelle

Titel: Huehnerhoelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Herbert Beckmann
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an.
    Kock nickte beflissen und bat sie, ihm zu folgen. Das heißt, wahrscheinlich tat er das, denn er sagte etwas (viel zu leise), wandte sich um und ging voraus.

24
    Sie boxten sich durch die angeregt schreiende Menge, drückten sich an der Theke vorbei und erreichten nach intensivsten Reibungen mit Dutzenden von Männerbäuchen einen wegen seiner Holzvertäfelung nicht nur schummrig, sondern reichlich düster wirkenden Flur. Hinter einer Doppeltür öffnete sich ihnen ein Saal, der nicht ganz die Größe eines Landkreises erreichte. Zum Glück menschenleer.
    Links befand sich auch hier eine Theke. Am gegenüberliegenden Ende, hinter einem dunkelblauen, metallisch schimmernden Vorhang, verbarg sich eine Art Empore, vermutlich für die Musikkapelle oder einen Entertainer, DJ oder Ähnliches.
    Â»Himmlisch«, sagte Kevin Kuczmanik und meinte die plötzliche Ruhe.
    Â»Danke«, sagte der Wirt und verstand es offenbar als Kompliment für die Gemütlichkeit seines Tanzsaals. In dieser Hinsicht konnte man jedoch geteilter Meinung sein. Besonders ein überdimensioniertes Windrosenmuster im braunen Fliesenboden, das an den geprägten Tapeten vielfach wieder aufgenommen wurde, sorgte optisch für Unruhe. Aber vielleicht half das ja der Tanzlust auf die Sprünge. Und die Glasfront zum gepflasterten Innenhof verhalf dem Saal zu einer im Vergleich zum lichtscheuen Schankraum angenehmen Helligkeit.
    Sie setzten sich an einen der vorderen Tische, die hufeisenförmig die Tanzfläche umgaben. Hufeland sprach dem Wirt zunächst in aller Form sein Beileid aus, und Werner Kock war der Erste heute, bei dem es ihm nicht wie ein leeres Ritual vorkam. Er stützte seine Ellbogen auf die Tischplatte, nahm seine Stahlbrille ab, und im nächsten Moment vergrub er sein bebendes Gesicht in den großen, groben Händen, schüttelte den Kopf, zuckte unkontrolliert die Schultern, zog mit einer Hand ein Taschentuch aus der Brusttasche seines graublau gestreiften Flanellhemds und schnäuzte sich.
    Kevin, sichtlich betroffen, machte bereits Anstalten, den Mann zu trösten, doch Hufeland signalisierte ihm, sich zurückzuhalten.
    So warteten sie eine gute Minute, bis Werner Kock sich wieder erholt zeigte. Er hob den Kopf, wischte sich mit dem Handrücken die geröteten Augen aus, setzte seine Brille wieder auf und blickte sie dann erwartungsvoll an.
    Â»Jetzt können wir«, sagte er mit bemerkenswerter Schlichtheit. Es klang wie das berühmte Diktum des ersten amerikanischen Delinquenten, der nach der Wiedereinführung der Todesstrafe in den USA hingerichtet worden war: »Let’s do it«, hatte er seine Henker aufgefordert, ihren Job zu tun. Und das ließen sie sich nicht zweimal sagen.
    Â»Herr Kock«, begann Hufeland. »Sie wissen natürlich, auf welche Weise Ihr Bruder getötet wurde?«
    Kock starrte ihn an. »Ich weiß, dass er …«, er zögerte und schluckte, »dass er erschlagen worden ist. Oder er… erstochen. Das hab ich von Wagner, am Telefon heute Morgen. Ich wollte gleich hin, zum Friedhof, meine ich. War schon im Mantel, aber dann hab ich’s nicht übers Herz gebracht, ihn dort … Also, ich hab mir vorgestellt, wie er dort liegt, auf Lenes Grab, und seinem eigenen Grab quasi, dem Doppelgrab. Ausgerechnet.«
    Â»Haben Sie dafür eine Erklärung?«, entfuhr es Kevin. Er warf Hufeland einen fragenden Blick zu, und der ließ ihn gewähren.
    Â»Zufall, was sonst«, antwortete der Wirt und zuckte die Achseln.
    Seine Naivität war vielleicht gespielt, dachte Hufeland. »Was hatte Ihr Bruder dort zu suchen, Herr Kock?«, übernahm er wieder. »Am Grab seiner ersten Frau? Abends im Dunkeln an Allerseelen?«
    Â»Einsam trauern schien nicht gerade seine Spezialität zu sein, wie wir hören«, schob Kevin trocken nach.
    Werner Kock zuckte nur leicht mit dem Augenlid und entschied sich, die Anspielung auf den Charakter seines Bruders zu überhören. »Wilhelm«, sagte er, »war gestern Abend hier in der Wirtschaft. Ich schätze, ab halb sechs, sechs etwa. Bis … na, es wird so gegen acht, halb neun gewesen sein. Wir waren ganz gut besucht gestern, na ja …«
    Â»Zwischen acht und halb neun«, wiederholte Hufeland. »Genauer können Sie uns nicht sagen, wann Ihr Bruder das Lokal verlassen hat?«
    Â»Noch genauer?«, schien der Wirt ehrlich

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