Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Huehnerhoelle

Huehnerhoelle

Titel: Huehnerhoelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Herbert Beckmann
Vom Netzwerk:
du jedes einzelne, sich nähernde Fahrzeug deutlich hörtest.
    Dachten sie. Und übersahen dabei die beiden Jugendlichen, die auf ihren Hochgeschwindigkeitsrädern herangeschossen kamen, um ihnen fluchend, bremsend und schlingernd eben noch auszuweichen.
    Â»Idioten!«, schrie einer der beiden, »Passt doch auf!«, der andere, und Hufeland, dem vor Schreck das Herz stehen zu bleiben schien, musste ihnen recht geben. Kevin dagegen blökte zurück: »Höchstgeschwindigkeit fünfzig in Ortschaften! Schon mal davon gehört?«
    Im nächsten Moment nahmen sie die Kurve und waren schon nicht mehr zu sehen.
    Durch eine schwere Eichentür betraten sie den dunklen, rundum holzvertäfelten Schankraum. Bernsteinfarbene Bleiverglasungen an fast allen Fenstern filterten, was vom trüben Tageslicht noch übrig war und erzeugten, zusammen mit der unverwechselbaren Mischung aus Bier-, Brause- und Bratendunst, die dämmrige, etwas schwermütige Kneipenatmosphäre der deutschen Nordländer.
    Dem Betrieb schadete es offenbar nicht. Es war brechend voll. Hufeland erkannte auf Anhieb etliche der Gesichter wieder, die vorhin noch vor dem Friedhof auf Kocks Tod angestoßen und sich nun hierher verzogen hatten. In die Kneipe von Wilhelm Kocks Bruder. Nur die jungen Mütter mit ihren Kindern hatten offenbar auf den mittäglichen Pintenbesuch mit ihren Kleinsten verzichtet. So waren es vorwiegend die älteren Männer, die die Plätze an den einfachen Holztischen und auf den Barhockern vor der Theke einnahmen. Der allgemeinen Hochstimmung tat das dadurch angehobene Durchschnittsalter der Gäste freilich keinen Abbruch. Der Lärm war unbeschreiblich.
    Â»Krass!«, brüllte Kevin Kuczmanik Hufeland zu, und das traf es genau.
    Zwischen den fröhlichen Trauergästen der Kneipe zwängte sich jetzt eine große, heftig keuchende Gestalt zu ihnen durch, ein Mann von Mitte sechzig mit einem guten Dutzend Resthaaren, die er sich in feinen Linien von links nach rechts gestriegelt hatte. Der Mann machte ein gequältes, geradezu peinlich berührtes Gesicht, sanfte graue Augen blickten sie durch eine tropfenförmige Stahlbrille an, die vor einigen Jahrzehnten mal für kurze Zeit modern gewesen war, wie Hufeland sich erinnerte.
    Â»Es tut mir leid«, quetschte der Mann mit einer Stimme heraus, die sich ehrlich bemühte, laut zu werden, aber kein Talent dafür besaß. »Sie möchten sicher essen. Aber Sie sehen ja, was hier los ist. Alles voll. Ganz plötzlich. In Guidos Pizzeria, das liegt zwei Straßen weiter, finden Sie sicher noch einen Platz.«
    Hufeland zog wortlos seinen Ausweis heraus und hielt ihn dem Mann vor die wässrigen, hellen Augen. Die jetzt groß und größer wurden.
    Â»Kripo Münster«, brüllte Hufeland dem Mann ins Ohr. »Sagen Sie, wo finden wir Herrn Kock, den Eigentümer?«
    Der Mann nickte erschrocken und eifrig. »Aber … das bin ich«, sagte er. Vermutlich. Hufeland las es ihm von den Lippen ab.
    Â»Was denn?«, entfuhr es Kevin Kuczmanik, der anscheinend ebenfalls Lippen lesen konnte. »Sie sind Werner Kock? Der Bruder des Ermordeten?«
    Der Mann errötete wie ein kochender Hummer angesichts des Erstaunens, das dem jungen Kriminalbeamten ins kugelrunde Kindergesicht geschrieben stand. Darüber, dass der Wirt wenige Stunden nach dem gewaltsamen Tod seines Bruders höchstpersönlich feuchtfröhliches Kapital daraus schlug. Danach sah es wenigstens aus.
    Â»Sie … Sie müssen das vergess … verstehen«, stammelte er, sichtlich um Fassung bemüht. »Plötzlich war es gerammelt voll. Ich …« Er schüttelte den Kopf, die gesamte Situation überforderte ihn. Den Eindruck vermittelte er zumindest.
    Hufeland fasste spontan so etwas wie Mitleid mit Werner Kock. Falls der Wirt der Täter war (worauf derzeit freilich nichts hindeutete), dann wenigstens ein sympathischer. Einer von der Sorte, die es ihr Leben lang nicht für möglich halten, dass sie – sie selbst! – töten könnten. Bis sie es dann tun. Plötzlich halten sie ein Messer in der Hand, um es ›dem Anderen ‹ ins verräterische Herz zu stoßen. Mitten hinein, ganz spontan, ganz tief. Hufeland konnte das verstehen. Besonders wenn er an Möllring dachte.
    Â»Können wir uns irgendwo in Ruhe unterhalten, Herr Kock?«, schrie er gegen den Lärm

Weitere Kostenlose Bücher