Huehnerhoelle
ich von der Toilette kam, standen sie dicht beieinander und gifteten sich an.«
»Konnten Sie verstehen, worum es ging?«
»Wie denn, bei dem Lärm? Die Tür zum Schankraum stand auf, die Kneipe war rammelvoll, da verstehen Sie selbst in dem Flur dort Ihr eigenes Wort kaum.«
Hufeland nickte. Die Erfahrung hatte er selbst schon gemacht. »Andere Frage«, sagte er. »Da Sie doch Stammgast im Brooker Hof sind â¦Â«
»Stamm tisch gast. Nicht Stammgast!«
»Gut, in Ordnung. Als Stammtischgast, der Sie also sind, konnten Sie sich â ganz nebenbei vielleicht â ein Bild davon machen, warum Wilhelm Kock die Kneipe seines Bruders in letzter Zeit wieder häufiger besuchte?«
Teichwart nickte (vorsichtig, wegen des Dachs, Zentimeter über seinem Scheitel). »Ich denke, er kam wegen Hanne.«
»Wegen Hanne Spieker?« Hufeland starrte ihn an. »Lief etwas zwischen den beiden?«
»Das hätte der alte Kock sicher gern gehabt!«, lachte Teichwart. »Nein, da lief nichts. Ich hab aber gemerkt, wie Kock sie anhimmelte. Besser gesagt: angeiferte. Und manchmal wurde er sogar ein bisschen zudringlich. Aber das trifft auf eine Menge Männer im Brooker Hof zu. Hanne ist ja ein ziemlicher Appetithappen!«
Da mochte Hufeland nicht widersprechen.
»Ich schätze«, schob Teichwart süffisant nach, »auch der Bruno hat ihr ein bisschen zu tief in die Augen geschaut.«
»Bruno Kock? Sind Sie sicher?«, rief Hufeland aus, beinahe schon empört.
Teichwart zuckte heftig zusammen und stieà sich seinen Totenschädel am Autodach an. »Verflucht!« Er rieb sich genervt die Platte. »Ich hab sie doch zusammen weggehen sehen an dem Abend. Ziemlich â¦Â«, er spitzte die strichdünnen Lippen, »na ja, privat, würde ich sagen.«
»Bruno Kock und Hanne Spieker? Am Abend von Allerseelen?«
»Glaube nicht, dass ich mich getäuscht habe, der Hinterhof vom Brooker Hof ist ja ganz gut beleuchtet. Nur«, er grinste breit, »dass alle Leute von unserem Stammtisch her immer aussehen, als hätten sie Gelbsucht.«
Hufeland erinnerte sich diffus an das schmucklose hellgelbe Fenster im Schankraum.
»Wann genau haben Sie die beiden an dem Abend fortgehen sehen, Herr Teichwart?«
»Also, das weià ich nun wirklich nicht, in der Kneipe schau ich doch nicht auf die Uhr!« Die Situation wurde sichtlich ungemütlich für ihn. »Hören Sie, Herr Kommissar, ich will keinem aus dem Ort was anhängen. Der Bruno ist in Ordnung. Wenn der was mit irgendeiner Kellnerin anfängt, geht mich das im Grunde überhaupt nichts an. Und dass sein Vater auf denselben Gedanken gekommen ist wie er, dafür kann Bruno ja nichts.«
So Irgendeine schien Hanne Spieker jedoch auch wieder nicht zu sein, dachte Hufeland. Er bedankte sich bei Teichwart, und der lange Kerl faltete sich mit säuerlicher Miene zusammen, um auszusteigen und drauÃen seine Knochen wieder zu sortieren.
Als Teichwart auÃer Sichtweite war, schwang sich Hufeland aus dem Wagen und ging schnurstracks zurück zum Haus der Kocks.
50
Kevin Kuczmanik hatte unterdessen einen Blick auf die Witwe werfen können und war sicher, dass sie ihnen nicht fortrennen würde. Nicht weil sie angetrunken war (das auch), sondern weil sie mit stierem Blick am breiten Küchentisch der Kocks saà und ihr Schicksal beweinte. Ihr stark geschminktes Gesicht ähnelte perfekt dem eines traurigen Clowns. Nur dass ihre Tränen echt waren.
Sie hockte hinter einer Flasche Kräuterlikör (âºOchsenblutâ¹) und schlürfte ihn wie bittere Medizin. Sie schien nichts um sich herum wahrzunehmen, das erklärte, warum sie sich bislang nicht ein Mal hatte blicken lassen.
Vera Kock, Klein-Maik immer noch im Arm, umrundete unterdessen ebenso ausdauernd wie unruhig den Tisch und tätschelte Silke Kock hin und wieder leicht die Schulter.
Wo waren eigentlich der Hass und die Abscheu der jungen Kocks geblieben, fragte sich Kevin Kuczmanik. Noch vor wenigen Tagen hatten sie Silke Kock als ein geldgieriges, rücksichtsloses Monster bezeichnet, jetzt gingen sie mit ihr äuÃerst rücksichtsvoll und, was Vera Kock betraf, sogar zartfühlend um. Merkwürdige Wandlung.
Bruno Kock hatte sich einen Kugelschreiber aus einer Schrankschublade geangelt, nachdem Kevin seinen eigenen Stift nicht hatte finden können. Er reichte ihn Kevin, ein Geschenk
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