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Huete dich vor deinem Naechsten

Titel: Huete dich vor deinem Naechsten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Unger
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war.
    »Clara«, sagte er.
    »Und bevor du alles ruinierst und mich fragst, woher ich weiß, dass es von dir ist - Sean hat sich nach dem zweiten Kind sterilisieren lassen. Er wollte es eventuell rückgängig machen lassen, falls wir eigene Kinder wollten.«
    Dann sah sie ihn an und wandte ihre haselnussbraunen Augen mit den grünen Sprenkeln darin nicht mehr von ihm ab. Er war wie gelähmt.
    »Ich bin schwanger, Grady. Ich möchte nach Hause. Aber es wird sich einiges ändern müssen. Eine ganze Menge, um ehrlich zu sein. Andernfalls werde ich das Kind allein großziehen, ohne dich. Davor habe ich keine Angst.«
    »Nein, nein«, sagte er und ging schnell zu ihr. »Ich weiß, dass ich viel zu lernen habe, dass ich erwachsen werden und der Mann sein muss, den du verdient hast. Das kann ich. Du wirst es sehen.« Er hoffte, dass er recht behalten würde, doch in diesem Moment hätte er alles versprochen.
    Er sank vor ihr auf die Knie, legte seine Hände an ihre Hüften. Er atmete den Duft ihres Zitronenshampoos ein, der sich mit dem Geruch ihrer Haut vermischte. Sie fühlte sich bereits anders an. Sie beugte sich vor, um ihn zu küssen, und er erwiderte den Kuss. Er spürte, dass sie sich öffnete wie eine Blume. Sie war so weich und süß.
    »Ich werde alles tun, Clara«, sagte er und machte sich los. Er strich ihr mit beiden Händen das Haar aus der Stirn. »Ich würde für dich sterben.«
    Da bemerkte er, dass er weinte. Er hatte nicht mehr geweint, seit er ein Kind war, nicht einmal, als Clara ihn verlassen hatte.
    »Ich will, dass du für mich lebst , Grady.« Sie legte sich die Hände auf den Bauch. »Für uns.«
    »Ja«, sagte er und bettete seinen Kopf in ihren Schoß. »Ja«, wiederholte er, aber seine Stimme war nicht mehr als ein Krächzen, und er wusste nicht, ob sie ihn gehört hatte.
     

VIERUNDZWANZIG
    W enn ich heute zurückblicke, muss ich mir eingestehen, dass meine Motive nicht lupenrein waren. Dann wiederum erschien alles so eindeutig. Ich erinnerte mich an Ivans Wut: Er hat mich verraten. Und ich glaubte, das Gleiche zu fühlen. Er hatte mein Geld gestohlen und das von Linda und Erik, er hatte die Ausbildung von Emily und Trevor aufs Spiel gesetzt und damit ihre Zukunft. Er hatte meine Liebe für seine Zwecke ausgenutzt. Er hatte mich bloßgestellt, mich, die Frau mit dem scharfen Blick, der nichts entging, die aber keinen Moment dachte, er könnte nicht der sein, für den er sich ausgab. Manchmal dachte ich, ich wolle nur Gerechtigkeit, dann wiederum musste ich mir eingestehen, dass ich Rache wollte. Und manchmal wollte ich einfach nur das Geld zurück, wenigstens einen Teil davon, damit ich es Linda und Erik geben könnte. Immerhin hatte Linda mich von Anfang an gewarnt. Du solltest ihn besser kennenlernen, bevor du dich in etwas hineinstürzt. Izzy, er ist so kalt.
    Aber vielleicht war es nichts davon. Ich habe mein Leben aufs Spiel gesetzt und das meines besten Freundes und meine Zukunft, nur um ein Flugzeug zu besteigen und einem Phantom nachzujagen. Ich war mir nicht einmal sicher, ob die Richtung stimmte. Heute glaube ich, dass es nicht Marcus war, den ich verfolgte. Ich war auf der Suche nach meinem Vater.
    In den Augen meines Vaters blitzte hin und wieder ein Leuchten auf, das außer mir niemand sah. Selbst als kleines Mädchen hatte ich das gewusst. Er liebte Linda, war ihr auf einzigartige Weise verbunden. Aber wenn er mich anschaute, war da etwas, das einzigartig zu sein schien. Linda und ich redeten nie darüber. Nach dem Tod unseres Vaters sprachen wir nicht mehr über ihn. Ihre Wunden verheilten nie, selbst Jahre später brachen sie immer wieder auf. Linda war ihm zu Lebzeiten nachgerannt. Immer hatte sie an seinen Fersen gehangen, an seinem Mantel gezupft. Sieh mich an, Daddy . Mit seinem Tod hatte er sie endgültig verlassen. Und ihre Bewunderung, die ihm nichts bedeutet hatte, verwandelte sich in Hass. Sie wandte sich für immer von ihm ab. Und nach seinem Tod nahm ich die Verfolgung auf. Warum, Daddy?
    Die Worte treiben mich um, die Fragen, die Antworten, die ganz sicher auf der nächsten Seite zu finden sind. Ich schreibe und lasse mich von einem Fluss der Möglichkeiten durchströmen, sauge die Energie der Geschichten dieser Welt auf, um sie zu Papier zu bringen. Manche Autoren fürchten sich vor der Leere des unbeschriebenen Blattes, vor dieser weiten, weißen Landschaft. Ich lebte dafür.
    »Geht es dir ums Wissen?«, fragte Jack mich zum wiederholten Mal. »Geht es dir

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